Vinocamp Session – gereifte Exoten

Welche Vinocamp Session lockt einen früh am Morgen des ersten Veranstaltungstags? Klar: Wenn es was Aussergewöhnliches zu probieren gibt, dann gibt es keine Alternativen mehr. Joachim Kaiser, seines Zeichens Biologe und Weinberater, jedoch vor allem Weinliebhaber und -Sammler, lud zu einer Probe-Session mit “gereiften Exoten” aus seinem privaten Keller ein. Dabei handelte es sich um Weine, bei denen so manch einem beim Lesen der Etiketten schon die Nackenhaare zu Berge stehen.

Joachim Kaiser Vinocamp
Joachim Kaiser inmitten seiner Vinocamp Session

Aber jeder Weinliebhaber, der was von sich hält, muss sich einer solchen Herausforderung stellen. Ausserdem lernt man hierbei nicht nur etwas über die vermeintlich exotischen Rebsorten und Weinstile, sondern stärkt (oder erschüttert) durch den Vergleich auch seine bisherigen Erkenntnisse über nicht-exotische Rebsorten. Ausserdem lernt man vielleicht das ein oder andere Vorurteil abzubauen. Also los geht’s, hier sind die 3 Weine:

Wein 1: 2003 Cabernet Mitos Spätlese trocken, Weingut Dilger, Baden

Dunkle und brillante Farbe. Nase nach Johannisbeer-Gelée, sehr rein in der Erscheinung. Dazu auch etwas Kuchenteig. Am Gaumen nicht ganz trocken, dafür aber leicht würzig. Aromen von Sauerkirschen kommen durch. Die Länge des Weins hält sich in Grenzen. Die Runde hat festgestellt, dass dieser Cabernet Mitos etwas in Richtung Syrah geht, mit leicht floralen Noten, jedoch mit viel weniger Struktur. Nach einiger Zeit dann entwickelt der Wein intensive Speck-Noten in der Nase und erinnert sehr stark an Pinotage. Ich muss sogleich an einen 1990er Pinotage aus Südafrika denken, den ich im letzten jahr probiert habe (siehe hier).

Wein 2: 2003 „Edition No. 4“ Spätburgunder Beerenauslese trocken, Weingut Harteneck, Baden

Hier macht nicht die Rebsorte den Wein zum Exoten, sondern der untypische Ausbau, beziehungsweise das Prädikat. Es handelt sich um eine trocken ausgebaute Beerenauslese mit ca. 17% Alkohol. Der Wein wirkt kompottig, nussig, gekocht und zeigt eine leichte Firne. Am Gaumen befindet sich diese BA irgendwo zwischen Wein und Weinbrand, erinnert vielleicht an manche Jura-Weine oder an Madeira. Auf keinen Fall ein alltäglicher Wein und auch keiner der einfach zu trinken ist. Er passt vielleicht ganz gut zu intensiven Käsesorten, vielleicht zu einem sehr reifen Comté oder einen Blauschimmelkäse.

Wein 3: 1993 Gundheimer Sonnenberg Dornfelder Spätlese trocken, Weingut Gutzler, Rheinhessen

Die Familie Gutzler beschäftigt sich schon seit Jahren intensivst mit dem Ausbau von hochwertigem Rotwein aus den verschiedensten Rebsorten. Dieser rheinhessische Dornfelder  hat eine elegante rote Farbe, leicht ins Rubin gehend. Vergleichbar alte Bordeaux’ haben eine ähnliche Farbe, wenn Sie von hochwertiger Herkunft sind. Die Nase offenbart zuerst saure Töne, fast an ein Fruchtdurcheinander wie im Multivitaminsaft erinnernd. Mit etwas Zeit kommen deutliche Kirsch-Aromen zum Vorschein, aber auch frische Kräuternoten, wie etwa Salbei. Analog dazu erscheint diese Frucht dann auch am Gaumen, wird dort getragen von einer animierenden Säure, was auch den frischen Aspekt des Weins nochmals hervorhebt. Nur die Länge des Weins ist wiederum nicht besonders überzeugend.

1993 Dornfelder Weingut Gutzler

 

Eine aufschlussreiche Probe. Dass, die trockene Beerenauslese keine Bäume ausreissen konnte, hat wohl die wenigsten in der Runde überrascht. Interessanter war da natürlich festzustellen, dass die oft verschrienen Rebsorten Cabernet Mitos und Dornfelder ein so beachtliches Alterungspotential unter Beweis stellen konnten. Beide Weine waren auf Ihre Art ansprechend und konnten sich mit etwas Luft im Glas entwickeln.

Vielen Dank, Joachim Kaiser, für diese spannende Probe!

Eine weiterer Bericht ist im Vinoblog zu finden.

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  1. Joachim Kaiser Said,

    Gut geschrieben!
    Inhaltlich noch die eine oder andere Ergänzung.
    2003 war ja ein extrem heißes Jahr. Die 17% wundern deshalb nicht unbedingt, sehr wohl aber, dass beide Weine, der Spätburgunder, aber insbesondere der Cabernet Mitos so gut gereift sind.
    Der noch 10 Jahre ältere Dornfelder zeigt, dass in der Rebsorte deutlich mehr drinsteckt als man ihr landläufig zugesteht.
    Spannend fand ich persönlich die Kommentare der anwesenden Köche, wie sie die drei Weine in der Küche oder als Begleiter einsetzen würden.
    Auch für mich deshalb ein gelungene Session.

  2. Blindtaster Said,

    Vielen Dank für die Ergänzungen!

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