“Das Fest”, oder wie der Rheingau die Image-Kurve kriegt.

Als ich Anfang der 2000er von meinem Studium in Südfrankreich zurück kam, waren die Samen längst mehrfach gesät, aufgekeimt und Pflanzen in den Himmel geschossen. Die jungen, wilden Gewächse des Languedoc hatte ich mit Begeisterung aufgesogen und Wein schwirrte als wichtiges Thema in meinem Kopf herum.

Natürlich wollte ich das Thema zuhause fortführen, vielleicht auch mit dem Hintergedanken zu beweisen, dass deutsche Weine der französischen Wein-Autorität etwas entgegenzusetzen haben. Und das Gute lag offenbar direkt vor der Haustüre. Mit Stolz las ich auf dem damals sehr präsenten und für mich als Vorbild geltenden Blog Winedoctor  (damals noch kostenfrei) die hochlobenden Profile der altehrwürdigen, anerkannten und aufstrebenden Rheingau Weingüter Künstler, Weil, Breuer, Leitz und schickte mich an diese zu besuchen.

Was ich vorfand überzeugte mich und viele Rheingauer Gewächse sind bis heute Fixpunkte meiner Weinwelt. Die Hochheimer Hölle vor Ort bei einer Jahrgangsprobe im Weingut Künstler zu kosten war für mich eine einzige Offenbarung, eine Entdeckung des Terroir-Gedankens. Der Kiedricher Gräfenberg von Weil hat schon immer erhaben die Rheingauer Pracht und Eleganz ausgestrahlt und ein Besuch des Probenraums ist wohl mit einer kleinen Wallfahrt gleichzustellen. Auch erinnere ich mich gerne an eine 2005 Rüdesheimer Berg Rottland trockene Spätlese “Alte Reben” vom Weingut Leitz: Eine Bombe an Geschmack und Komplexität – völlig anders als die anderen Rheingau-Gewächse, eine Art Symbol des Aufbruchs, der Vorherrschaft des Rheingaus in Wein-Deutschland.

Doch schnell musste ich bemerken, dass der Rheingau auch eine andere Seite hat. Neben dem Licht gab es auch jede Menge Schatten, der sich v0r allem in einem  Auf- und Ab der Qualität zeigte. Nicht jedem vermeintlich großen Namen konnte man blind vertrauen, nicht jedes Qualitätssiegel war auch Qualitätsgarant. Bei den Ersten Gewächsen à Go-Go hatten wohl selbst die Kritiker nicht mehr wirklich den Durchblick. Immer öfter kam so der Gedanke, dass das Ausruhen auf dem historischen Markenimage der Weinregion zu groß ist.

Denn gleichzeitig schliefen andere Regionen nicht. Besser gesagt: diese strotzen nur so vor Dynamik. Die Nahe kann sich vor Auszeichnungen kaum mehr retten. In Rheinhessen wimmelt es nur so von jungen Wilden, die von Masse zurück zur Klasse gelangen. Für die meisten Weinfreunde haben diese neuentdeckten Regionen eine unglaubliche Anziehungskraft: Hier kann man beständige und stetig wachsende Qualität für verhältnismäßig wenig Geld bekommen, lautet der Tenor. Dieses Image ist stark und bisweilen ungetrübt. Für die andere Seite des Rheins ist hiermit der Image-Gau vollendet – Ein Magnet ist am Kompass befestigt und die Nadel zeigt immer in die andere Richtung, hinüber nach Rheinhessen, an die Nahe und zur Pfalz.

WineBank Hattenheim

Doch so langsam tut sich was im Rheingau. Die Zeichen der Zeit sind längst erkannt und die Akteure vereinen sich, um gemeinsam etwas am Image zu tun, um die vorhandenen Puzzleteile zusammenzufügen und ein starkes Gesamtbild des Rheingaus abzugeben. Genug dynamische und erfolgreiche Akteure, viele aufstrebende Talente sind vorhanden – diese gilt es zu präsentieren, um die Message zu transportieren.

Und so kam “Das Fest” gerade recht. Auf Initiative von Dirk Würtz, seines Zeichens Weinmacher von Balthasar Ress und gleichzeitig Deutschlands bekanntester Wein-Blogger, und gemeinsam mit vielen bekannten und aufstrebenden Rheingau-Winzern wurde vor einigen Wochen  in die Winebank in Hattenheim geladen. Dort im Kellergewölbe standen auf einem langen Tisch quasi kommentarlos Rheingauer Riesling-Gewächse aller Toplagen , sowohl aus den Jahrgängen 2012 wie 2013. Es war kein dogmatischer Terroir-Lehre Abend: Zugreifen und sich selbst ein Bild machen war angesagt. Und das tat ich dann auch mit großem Vergnügen.

Mein erster Griff hat mich gleich umgehauen. Der 2012 Berg Rottland von der Pinot-Referenz Kesseler ist ein unerwartet wildes Ding mit viel Rauch, dabei unglaublich fest und tiefgründig. Einfach genial und süchtig machend. Das muss ich nochmal probieren!

Spreitzer Wisselbrunnen Riesling

Auch mein zweiter Griff ist ein Volltreffer, dabei auch ein vollkommen anderer Wein. Der 2013 Wisselbrunnen Riesling vom Weingut Spreitzer ist vielleicht der Wein, der am ehesten meinem Bild des klassischen Rheingaus entspricht, es aber in vollendeter Weise umsetzt. Pralle, reife Frucht ist gefangen in einem straffen Körper. Es ist ein Wein mit viel Zug und unglaublicher Länge, der niemals schwer wirkt.

Und auch viele der folgenden Griffe sind Volltreffer. Was dabei auffällt ist die Vielfalt der Stilrichtungen und Persönlichkeiten,  auch hier im ach so konservativen Rheingau.

Ress Nussbrunnen 2013 Riesling

Beim Weingut Ress überrascht mich das ja eigentlich nicht, da schaltet und waltet der Dirk Würtz im Keller und der hat eine ordentlichen Fundus an Stilistiken in petto. Der Nussbrunnen Riesling von 2013 ist ein spaciger Wein, den ich kaum zuordnen kann. In der Nase mischen sich Spontinoten und Frucht – das ergibt momentan so eine Art Haribo-Aroma. Am Gaumen erscheint der Wein zugleich sehr frisch und rein, zeigt aber auch eine rauhe Kante: Ein Signal für eine zu erwartende Langlebigkeit.

Diefenhardt Langenberg 2013 Riesling

Viele Weine zeigen feste Strukturen, welche die charakteristische  Rheingauer Frucht umfassen. Auch Weingüter, die ich nicht so sehr kannte machen auf sich aufmerksam. Ein 2013 Erbacher Langenberg Riesling vom Weingut Diefenhartd überzeugt mit solch einer festen Erscheinung und einer ordentlichen Tiefe.

Der 2013 Martinsthaler Siegelsberg vom Weingut Jakob Jung zeigt sich ähnlich fest und beweist, dass Frucht und Rasse kein Widerspruch darstellen.

Spannend fand ich auch der 2012er Doosberg von Bio-Pionier Peter Jakob Kühn, der hochdosiertes Holz in angenehmer Weise mit zitruslastiger Rieslingfrucht in Einklang bringt. Ein etwas ungewöhnlicher Wein, der sich über die Jahre spannend entwickeln wird.

Natürlich will ich auch die Platzhirsche nicht vergessen. Der 2013 kiedricher Gräfenberg vom Weingut Weil wurde zu recht allerorts gelobt. Er ist ein absolutes Monument. Ein Bündel in sich greifender, vibrierender Aromen. Ein aktiver Vulkan, der heranwachsen wird, um irgendwann zu explodieren.

WineBank Das Fest 2015

Nun die große Frage: Kann so ein Fest den Rheingauer Imagewandel unterstützen?  Zumindest schaffte es das Event bei mir ein Zeichen zu setzen –  Ich musste realisieren, dass ich mich schon lange nicht mehr intensiver mit den Rheingauer Weinen ausseinandergesetzt habe. Doch dieser Abend zeigte mir, dass es sich lohnt den Fokus wieder vermehrt auf die andere Seite des Rheins zu legen. Dabei geht es nicht nur um die Qualität der Weine, sondern auch um die Dynamik, die nun spürbar ist. Viele Weingüter arbeiten an Ihrem Angebot, an Ihrer “USP”, was sich auch in schicken Redesigns mit klarem Statement widerspiegelt (Neue Labels bei PJ Kühn und Kesseler).

Doch natürlich stehen die Weine im Mittelpunkt. Bei vielen der probierten Gewächse habe ich ebenfalls den Eindruck, dass eine Wiedererfindung des Rheingaus in der Mache ist. Das, was es die letzten Jahre in Rheinhessen, Nahe, Pfalz und auch Mosel zu bestaunen gab, gibt es jetzt auch im Rheingau: Rieslinge mit Rasse und Struktur. Was nicht bedeuten soll, dass alle deutschen Weine nun gleich schmecken. Das Rheingautypische – die einzigartige Frucht und Mineralität – bleibt auf beste Art und Weise erhalten, ohne aufgesetzt zu wirken sondern perfekt integriert.

Dass der Rheingau das Potential hat die Spitze des deutschen Weinbaus zu sein, ist schon seit hunderten von Jahren klar. Dass nun das Heft in die Hand genommen wird, um etwas an der Wahrnehmung der Region zu ändern ist neu und außerordentlich spannend. Ich bin mir sicher, dass es gelingt Begeisterung zu schaffen und dass diese wieder in den Rheingau zurück schwappt und neue Kreativität entfachen wird. Sofern es je einen Teufelskreis gab, ist dieser nun gebrochen.

Kuehn Oestricher Lenchen Beerenauslese 2007

Kuenstler Hoelle Riesling 2005 Riesling

Leitz Berg Rottland 2008 Riesling

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