Besuch im Weingut “Chat-Sauvage” – Eine Burgund-Enklave im Riesling-Land

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Die Geschichte des Weinguts Chat Sauvage ist eine jener, die runtergehen wie Öl und von Presse und Medien mit Verzückung aufgenommen werden. So sei sie auch an dieser Stelle in verkürzter Form wiedergeben: Der betuchte hamburger Bauunternehmer Günter Schulz, ein begeisterter Wein-Sammler mit feinfühligem Gaumen, träumt davon im Rheingau einen Pinot Noir wie aus dem Burgund zu produzieren und bleibt nicht lang tatenlos. Die ersten Fässer und Jahrgänge, die er im Weingut Schamari-Mühle von Erik Andersson ausbauen lässt, überzeugen von Anfang an und ermutigen sogleich den nächsten Schritt zu gehen. Schulz lässt seine Raritäten-Sammlung bei Christie’s in London versteigern und weist den Erlös dem Bau des bisher nichtexistenten Gutshauses zu. Währenddessen finden die Chat-Sauvage-Burgunder aber schon viele Liebhaber, wie zum Beispiel auch “unseren” deutschen Master-Sommelier Hendrik Thoma (hier seine Tvino-Show zum Thema). Das Gutshaus ist nun fertiggestellt und bezogen – Die Erfolgsstory kann weitergehen.

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Eine Pinot-Noir-Enklave im Riesling-Land. Sinnbildlich  dafür steht auf dem nächsten Hügel, fast mahnend, das Riesling-Symbol schlechthin: Schloss Johannisberg.

Zusammen mit Christian Schiller vom gleichnamigen Weinblog hatte ich letzte Woche die Gelegenheit das Weingut zu besuchen. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle, dass ich mich deinem Termin anschliessen durfte! Empfangen wurden wir vom äusserst sympathischen Michel Städter, Winzer und Weinmacher von Chat Sauvage, der aber auch eigentlich sonst fast alles macht im Gut.

Nach einer kurzen Besichtigung aller relevanten Teile des Neubaus, also Keller und Schatzkammer, ging es auch gleich zur Sache: In der nagelneuen Probierstube warteten Pinots aus den Jahrgängen 2007 und 2009 auf uns. Alle Flaschen waren schon seit 2 Tagen entkorkt und zeigten sich deshalb ihrem Stadium entsprechend von ihrer offensten Seite.

Zunächst probierten wir ein Duo 2007er.

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2007 Johannisberger Hölle Erstes Gewächs – Ein trinkiger Wein mit innerer Spannung. Zuerst die Süße Burgundernase mit eleganter Frucht und leichtem Marzipan-touch. Hier wird schon klar, dass der Holzeinsatz punktgenau dosiert wurde – es waren in diesem Fall ca. 30% Erstbelegung der Barriques. Dann am Gaumen die etwas frischer erscheinende Frucht, einer jahrgangsbedingt animierenden Säure geschuldet. Der Wein erhält dadurch eine schöne Saftigkeit, die den Trinkfluß fördert. Ein Pinot der Spaß macht ohne aber dabei die Eleganz eines Burgunders vermissen zu lassen. Denn schon bei diesem ersten Wein wird klar, dass hier ein deutlich französischer Stil erreicht wurde. “Auf Wiedersehen Spätburgunder, bonjour Pinot!”

2007 Rüdesheimer Drachenstein Pinot Noir – Der voluminösere und kräftigere Wein. Etwas opulenter am Gaumen und noch mit präsentem Tannin, das sich aber überaus feinkörnig zeigt. Auch hier wirkt ein saftiges Säuregerüst. Ein wahrhaftiger Burgunder aus dem Rheingau den man jetzt schon geniessen kann, aber vielleicht noch ein Weilchen weglegen sollte.

Das war schonmal ein sehr überzeugender Einstieg. Man merkt sofort, dass hier mit viel Engagement zu Werke gegangen wird. Auch ist es spürbar gut gelungen die gewollte französische Stilistik zu kreieren – selbst wenn ich nicht so einfach erklären kann, was diese eigentlich ausmacht: Ist es dieses gleichzeitige Auftreten von Intensität und Finesse? Fakt ist, dass Michel Städter 1 Jahr im Burgund das traditionelle Handwerk erlernt hat. Und ich finde man schmeckt, dass dieser Aufenthalt “nicht für die Katz’ war..” oder etwa doch? ;=)

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Michel Städter und Christian Schiller im Barrique-Keller

Um nochmal aufs “Winzern” einzugehen: Von Esoterik im Weinberg hält Michel Städter nicht viel, was aber nicht heissen will, dass im Weinberg nicht naturnah gearbeitet wird. Ganz im Gegenteil. Viele Lagen werden ohne Trecker per Hand bewirtschaftet, Dünger wird mit Schubkarren in die Zeilen gehievt und bei der Weinlese wurde auch schon mal versuchsweise per Hand entrappt!! Reines Handwerk halt! Aber auf Experimente mit Spontangärung lässt sich Michel Städter lieber nicht ein, bringen sie auch bei Rotwein der lange im Holzfass reift eher wenig an Mehrgeschmack, wenn die Sache überhaupt gut läuft.

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Nach Versuchen mit unter anderem ungarischer Eiche, hat man sich bei Chat Sauvage nun auf französische Barrique-Fässer festgelegt.

Jetzt kamen wir zu den 2009er Weinen. Ein Spitzenjahrgang für Spätburgunder in Deutschland! Ja, gar ein Jahrhundertjahrgang bei dem, so denkt man, sowieso nichts falsch gemacht werden kann. Doch auch hier  muss man sein Handwerk verstehen, erklärt uns Michel Städter.

In seinem Fall hiess es extrem früh zu Lesen um dem Wein seine Finesse zu erhalten. Als andere noch die Öchsle hochtreiben liessen, holte er so schon die ersten Trauben rein! Monsterweine mit 15% hätten sonst die Folge sein können.

Und was wir ins Glas bekamen, konnte sich mehr als sehen lassen. Es ist keine Untertreibung zu sagen, dass diese Weine nahezu perfekt sind!

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2009 Rheingau Pinot Noir – Der Einstiegswein, und was für ein sensationeller Wert! Michel Städter hat absolut recht, wenn er diesen Wein als PL-Hammer bezeichnet. Dieser Pinot entspricht einer erstklassigen Village-Qualität aus dem Burgund. So ist er am Gaumen von einem schönen mittlerem Gewicht aber gleichzeitig auch von einer bestechenden Eleganz. Hier erlebt man wahrlich in Seide gehüllte Frucht. In der Nase zeichnet sich schon die pure fruchtige Eleganz ab welche quasi ohne Unterbrechung am Gaumen fortgesetzt wird. Dort zeichnet sich der Wein durch eine unwiderstehliche Harmonie aus, wobei er sich gleichzeitig auch sehr lebendig und präsent zeigt: Ein “mittelgewichtiges Konzentrat”, um es kurz zu sagen. 16 Euro sind bei diesem Wein mehr als gut angelegt. Schnell kaufen bevor er weg ist!

2009 Lorcher Kappellenberg Pinot Noir – Eine Nase mit feinen erdigen Zügen die sich aber auch mit einer sehr präzisen Frucht vermengt. Am Gaumen fällt gleich das höhere Volumen und Gewicht auf, dennoch vermittelt der Wein aber niemals den Eindruck “fett” (und schon gar nicht alkoholisch) zu sein. Im Gegenteil: die Harmonie scheint wie in Stein gemeisselt. Das Tannin zeigt sich etwas präsenter, noch leicht rauh, aber von einer schönen feinkörnigen art, quasi zum genüßlichen Kauen –  und auch hier ist es in dieses elegante seidige Mundgefühl eingebettet. Überhaupt scheint sich dieses schmeichleriche Textur wie ein roter Faden durch die gesamte 2009er Kollektion zu ziehen. Die etwas rauheren Tannine sind übrigens dem Taunus-Quarzit-geprägtem Boden verschuldet . Das Finish ist ebenfalls wie aus dem Bilderbuch mit einer dezenten aber überaus präzise definiertern Fruchtnote und einer guten Länge. Coup de Coeur! Mein geheimer Favorit.

2009 Johannisberger Hölle Pinot Noir Erstes Gewächs – Nun wiederum eine Nase die mehr fruchtig als erdig erscheint, auf elegante und graziöse Weise, natürlich wieder völlig auf übertriebenen Holzeinsatz verzichtend. Am Gaumen extrem feines, diesmal etwas süßeres Tannin. Viel Charme durch generöse Frucht kommt hiermit ins Glas. Der Wein hat Körper und Volumen aber wirkt trotz 13,5%  Alkohol nie überdeht! Über die seidige Textur brauch ich jetzt bestimmt nicht nochmal Wörter zu verlieren. Und auch hier wird man wieder mit einem überzeugendem Finish belohnt. Mit jedem neuen Wein den wir probieren, zeichnet sich immer mehr die Qual der Wahl ab, die uns dieses Weingut beschert.

2009 Asmannshäuser Frankenthal Pinot Noir – eine Lage die zum ersten mal gesondert ausgebaut wurde bei Chat Sauvage – üblicherweise wurde sie immer mit der Hölle zusammen gelesen und vergoren. Die Nase scheint hier etwas dezenter, ist eventuell leicht verschlossen. Der Wein vereint eine gewisse Leichtigkeit mit herzhaft würzigem Biss. Das Tannin ist etwas fester und auch die Säure ein Tick höher, ohne aber das dies jetzt besonders auffallend sei. Der Wein zeigt eine dezente Kräuterwürze die Ihm schon in diesem jungen Stadium eine aussergwöhnliche Tiefe verleiht. Wie den vorhergehenden Weinen kann man auch diesem ein sehr gutes Alterungspotenzial bescheinigen!

2009 Assmannshäuser Höllenberg Pinot Noir – die wohl bekannteste Rotweinlage des Rheingaus kommt als Krönung der Probe ins Glas. Die Nase zeigt sich auch hier im verschlossenen Baby-Stadium: Beerig-erdig mit nur dezenten Holznoten. Am Gaumen dann ein kraftvoll zupackender Wein der aber wieder mal gleichzeitig zu schmeicheln vermag. Mehr feinkörniges Tannin trifft dunkle Frucht die fast mit Zartbitter-Schokoladennoten einher kommt. Das richtige Säuregerüst ist aber auch dabei und so stimmt wieder mal die Balance. Ein Wein der offensichtlich noch altern muss, wobei er sein enormes Potential nicht verleugnen kann. Kaufen und weglegen!

Ach ja, ausserdem wurde vom Jahrgang 2009 noch eine alles-krönende Partie aus der Hölle gefüllt die als Erstes Gewächs tituliert wird. Verständlicherweise blieb diese kostbare Flasche bei unserer Verkostung geschlossen, und wir können nur erahnen welch tolles Elixier sich da wohl verbergen mag. Das Chat Sauvage Team scheint sich auf jeden Fall ziemlich sicher über dessen aussergewöhnliche Qualität und hat den selbsbewussten Preis von 120 Euro ausgeschrieben. Dieser Wein bewegt sich somit preislich auf allerhöchster deutscher Pinot-Ebene, wie manche Abfüllungen von kesseler, Fürst oder Becker.. Sammler, aufgepasst!

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Kostbare 2009er!

Wow! Was für tolle Weine von betörender Eleganz. Schon sehr zugänglich zeigen sie sich in diesem jungen Stadium (waren aber auch schon 2 Tage geöffnet), doch vermitteln sie gleichzeitig den Eindruck eines enormen Alterungspotentials. Ich bin auch wahrlich gespannt wie diese Weine in ein paar Jährchen schmecken werden.

Man kann Michel Städter und seinem Team, sowie Patron Günter Schulz nur ein Kompliment machen. 2009 war die Natur zwar wirklich gnädig, doch muss man diesen Rohstoff auch so gekonnt auf die Flasche bringen. Und dies gelang in einer Weise, dass man dem Ziel einen Burgunder französischer Art zu produzieren erstaunlich nah gekommen ist! Und das inmitten der Riesling-Hochburg Rheingau. Erinnert mich irgendwie an dieses kleine gallische Dorf, ihr wisst schon…

Leider konnten wir nicht die so sehr gelobten Chardonnays des Hauses probieren, da diese schon längst ausverkauft waren. Ich denke, die 2009er Pinots könnte bald ein ähnliches Schicksal treffen.

Weingut Chat Sauvage
Hohlweg 23
65366 Geisenheim/Johannisberg

Tel: +49 6722 9372 5 86
Mob: +49 178 50 15 472
(Besuch nach Voranmeldung)


Noch ein paar Impressionen:

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Das 2010 fertiggestellte Gutshaus von vorne.

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Im Barrique-Keller…

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Die Schatzkammer, auch mit einigen “Fremdweinen” bestückt.

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Gutseigener Großflaschenhalter.

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  1. Barry Said,

    Hi Alex…it sounds like a tasting that would have appealed to this Pinot fan. Not tried any of this property yet…as I find Rheingau reds a little overpriced but maybe you have convinced me.

  2. Blindtaster Said,

    Admittedly, I had a thought for the “Pinot-soulman “while tasting those! :=)
    Well, I haven’t noted down the prices for all the wines. But the simple Rheingau Pinot for 16 Euro is at least worth a try. I’d be curious about your opinion!
    And I think one or two of the “Lagenweine” also go for around 25 Euro. A winery-visit isn’t too far anyway! :=)

  3. weinlagen.info Said,

    Vielleicht interessieren hier die Lagen:
    http://www.weinlagen-info.de/#lage_id=1109
    http://www.weinlagen-info.de/#lage_id=1079

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