Restaurant Navette* in Rüsselsheim – Thomas Macyszyn geht seinen Weg!

Rüsselsheim war ja in den letzten Jahren wahrlich nicht sehr positiv in den Schlagzeilen vertreten. Schießereien in der Fußgängerzone, Fluglärm, Krise beim Autobauer Opel. Doch letztes Jahr auf einmal der kulinarische Paukenschlag: Das Restaurant Navette unter der Führung des jungen Kochs Thomas Macyszyn erhält einen Michelin Stern.

Aber schon davor, auch aufgrund der geographischen Nähe, war es schon lange mein Wunsch das Navette zu besuchen. Schön, dass es nun endlich geklappt hat. Die Handschrift von Thomas Macyszyn ist etwas anders als man es heutzutage von der “Avantgarde” gewohnt ist. Viele fruchtige Elemente finden hier ihren Platz auf dem Teller: Geschmacklich eine riskanter Hochseilakt. Doch wo andere schnell ins kitschige rutschen, gelingen im Navette harmonische Kreationen, die für Frohsinn und Abwechslung sorgen.

Hier der Besuch im Einzelnen. Entschuldigung für die teilweise schlechte Foto-Qualität, mir sind an der Kamera unglücklicherweise die Einstellungen verrutscht.

Macaron mit Taschenkrebs
Macaron mit Taschenkrebs-Salat, Lychee und Sake-Gel mit Tobbiko Caviar–  Ein fröhlicher und stimmiger Anfang. Sehr klarer und intensiver Krebs-geschmack; Dabei passt die Lychee besser zu dem Meeresgetier als ich gedacht hätte. Das Fruchtige fügt sich ein anstatt das Kommando zu übernehmen.


Zu Olivenöl, Salz und Butter gibt es selbstgebackenes Brot. Unter anderem ein herzaftes Brot mit Boudin Noir Stücken gefüllt.

Kapern-Butter
Kapern-Butter


Auster à la Borscht – Der fast etwas nach Beeren schmeckende Schaum besteht aus Roter Beete und überdeckt zweierlei von der Auster: Naturbelassen sowie gebacken. Zur Auster gesellt sich noch Pumpernickelerde. Obenauf findet mann Imperial Caviar und gefrorene Sour Cream Perlen. So hab ich eine Auster auch noch nie gehabt: Hier ist das gesamte Spektrum vorhanden: Von salzig und fruchtig, warm und kalt. Die idee Pumpernickel einzufügen finde ich sehr stimmig und stellt wahrscheinlich auch den klassischen Part dieses Amuse dar. Das fruchtige ist abermals gewagt, aber auch hier nicht zu kräftig. Vielleicht übertönt es jedoch etwas zu sehr den Caviar, der nur durch ganz leichte iodische Nadelstische in Erscheinung tritt.

Mais velouté
Mais-Velouté und Oktopus auf Papadum mit Rotwein-Schalotten Eis  Maisgerichte haben in gehobenen Restaurants eher seltenheitswert. Umso herzerfrischender diese federleichte Velouté mit einem sehr reinen und intensiven Maisgeschmack: Nach einem Schluck wähnen wir uns glatt in Mexiko. Auf dem Podest nebenam liegt ein Papadum-Bissen welcher mit zartem Oktopus und säuerlich-fruchtigem Eis versehen ist. Auch hier übernimmt die Frucht nicht die Überhand und lässt den Oktopus fein zur Geltung kommen. Was der Mais mit dem Papadum, dem Oktopus und dem Rotwein-Eis thematisch verbindet, weiss ich nicht so recht. Macht aber nichts: das ganze schmeckt verspielt und harmonisch zugleich und ist somit ein gelungener Appetitanreger.

Rossini Tartare
Tartare Rossini mit Trüffel –  Der überdimensionierte, falsche Trüffel ist mit reinem Trüffelschaum gefüllt und liegt auf einem frischen Rinder-Tartar. Dazwischen befindet sich noch eine sehr dünne Schicht Champignons. Neben dem Tartare liegen cremige Trüffelbrösel. Ein schöner, erdiger Trüffel-Geschmack dominiert das Gericht. Die sahnige Komponente ist hier jedoch vielleicht etwas überproportioniert für unseren Geschmack.

Ein 2007 Riesling-Sekt Geheimrat J von Wegeler, eingeschenkt von Sommelière Birgit Wester, hat mit seiner Frische zu allen Amuses hervorragend gepasst (wir haben uns für die Weinbegleitung entschieden).

Foie Gras Quitte Walnuss Sellerie
Foie-Gras, Quitte, Walnuss, Sellerie – Ein Foie Gras Gang ganz nach meinem Geschmack. Das Sellerie-Sorbet tariert mit seiner Frische sehr gut die reiche Foie aus. Die leicht fruchtig-herbe Komponente der Quitte ist jenseits jeglichen Kitschs und die Walnüße komplettieren das Bild mit leicht erdigen Aromen. Eine sehr gute Komposition

Perfekt auch die Weinbegleitung: Ein 2007er Demi Sec Vouvray der Domaine de Vaugondy riecht auch ganz fein nach Quitte und zeigt am Gaumen nur eine ganz leichte Restsüße. Optimal. Auch das Säurespiel in diesem Wein ist genial und bietet der cremigen Foie zusätzlich Paroli.

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Feldsalat, Jakobsmuschel,  Speck – So langsam wird die Schlagzahl erhöht und es wird immer klarer, warum ein Michelin-Stern über Rüsselsheim strahlt.
Der pürierte Feldsalat erinnert ein wenig an Spinat, hat eine Salzigkeit am Limit, die er aber braucht um als guter Kontrast  gegenüber der Jakobsmuschel in Erscheinung zu treten. Wieder sind die fruchtigen Elemente sehr clever eingebracht: Eine Molke-Preiselbeer Vinaigrette setzt einen fruchtig-säuerlichen Reiz. Auf den Jakobsmuscheln befinden sich Brösel von kandierten Oliven, die für eine weitere Geschmacksdimension sorgen.

Hierzu wird ein 2010 Grüner Veltliner Federspiel von Rudi Pichler eingeschenkt: Eine treffsichere Auswahl, den die trockenen, grasigen Aromen des Weins passen sehr gut zum Feldsalat.


Langoustino, Paprika, Birne – Jetzt geht es hoch her! Perfekt gegarter Langostino mit feiner, intensiver Paprika-Creme, Krustentier-Jus, ein kleine Rosmarinexplosion zwischendurch, Calamaretti in Form von knusprigen Tentakeln und zarten Ringen, Krustentier-Schaum, dann dezent fruchtige Elemente der Birne im Hintergrund. Das sind schon eher 2 Sterne als einer bei diesem perfekt abgestimmten Geschmacksfeuerwek.

Die Weinkombi mit einem 2010er Takatuka von Schneider passt auch hier wie die Faust aufs Auge. Die schneidende Frische des Sauvignon Blanc Anteils unterstütz das Geschmacks-Feuerwerk, in dem es den feinen Aromen genug Raum zur Entfaltung lässt.

Bar de ligne Artischoke Parmesan
Bar de Ligne, Artischoke, Parmesan – Grandios! Was etwas unscheinbar klingt ist eine quasi perfekte Kombination, die man so auch in einem 3 Sterne Restaurant finden könnte. Artischoke in all seinen Formen: Als Crème, gegart, gegrillt, dazu dünne Spähne Lardo sowie ein poschiertes Wachtelei. Der Parmesan wird als Sud aufgegossen und ist nur als salzig-herber Hauch zu vernehmen und geht mit der Artischoke, dem Wachteleigelb und dem Bar eine perfekt harmonische Liaison ein. Dass der Bar trotz guter Garung leicht flockig ist, kann man der Küche nicht übel nehmen. Ein Gericht, das man probiert haben muss.

Ein 2010er Pinot Blanc von Molitor passt hier ebenfalls gut (Ein weißer Grand Cru aus dem Burgund wäre hier aber mit Sicherheit noch angemessener gewesen ;=))

Wagyu Oxtail Zwiebel
Wagyu, Zwiebel, Oxtail – Das Wagyu wurde völlig sous-vide gegart und zeigt ich ohne Röst-Aromen, butterzart und mit gutem Eigengeschmack. Perlzwiebeln und ein aufgegossener Ochsenschwanz-Sud schmiegen sich naturgemäß dem Fleisch an. ein Frischkäse Taler mit gepufften Safranreis gibt dem Gericht eine gewisse Fülle. Die Auberginencrème macht Sinn, und passt mit ihrer leichten Rauchigkeit gut dazu. Auch ein Hauch Dattelcrème passt harmonisch ins Bild. Wieder ein gutes Gericht, das aber etwas weniger aufregend als die 2 vorigen erscheint.

Die Weinwahl, ein 2011er Cornalin von Maurice Gay aus dem Wallis passt wieder hervorragend. Es handelt sich um einen leichten, frischen Rotwein, der die feinen Aromen auf dem Teller gut zur Geltung kommen lässt..

Himbeer Rosen Granite
Als Erfrischung zwischendurch: Himbeer-Rosen Granité, Ruinart Rosé Schaum, kandierte Rosenblätter. Wieder wird auf Messers-Schneide mit parfüm-artigen Aromen gespielt. Wieder gelingt es. Eine wohlige Erfrischung die ein neues Kapitel einläutet.

Rehrücken
Rehrücken, Gewürzorange, Rotkohl – Ein großzügiges Stück Rehrücken, sehr gut gegart. Im Geschmack mir leider etwas zu intensiv nach Orange mit einer leicht bitteren Komponente.

Aus dem Weinprogramm hat ein kraftvoller 2009er Gigondas von Guigal, wieder gut gepasst.

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Ragout mit Rotkohlschaum, Gänselebereis, Rosenkohl mit Trüffel angemacht – Eine geschmackvolle kleine Leckerei als Zugabe zum Reh. Vielleicht etwas zu gehaltvoll an dieser Stelle, da sich auch so langsam aber sicher die Sättigung bei mir einstellt.

Dessert Restaurant Navette
Zwetschge, Montelimar Nougat, Joghurt – Makellos und lecker.


Saft von Zwetschgen, Lolli mit Frisch-Hefe Eis – Eine spassige und vor allem erfrischende Idee einen herb-säuerlichen Shot ungesüsster Zwetschgen zum Dessert zu reichen.

Auch die letzte Weinbegleitung, eine 2007 Beerenauslese von Pasler überzeugt uns. Insgesamt gebührt der Sommelière ein dickes Lob für Sachverstand und Kreativität bei der Weinauswahl. So stimmig habe ich eine Weinbegleitung selten erlebt.

Zu guter letzt gibt es noch leckere Petits-Fours zum Kaffee.

 

Fazit: Thomas Macyszyn geht seinen Weg! Der junge Koch, einst Quereinsteiger nach einem angefangenen Medizinstudium, setzt eine ganz eigene Küche durch und läßt seinen Stil nicht durch aktuell vorherrschende Trends bestimmen.

Es geht hier bunter und fruchtiger zu als in vielen anderen Restaurants. Und man muss staunen wie harmonisch diese Gerichte dann doch gelingen.

An der ein oder anderen Stelle ist mir der Einsatz von Sahne, Schaum und Co.etwas zu üppig, vereinzelte Gerichte zu reichhaltig, doch auch das scheint wohl zu Macyszyn’s Stil zu gehören.

Doch es bleibt festzuhalten: Einige der Kreationen haben hier schon mehr als diesen einen Stern verdient und man kann gespannt sein, wie sich die Küche hier in nächster Zeit entwickelt. Weiterer Optimismus für Rüsselsheim ist angebracht.

Grund genug auch für die frankfurter Herrschaften sich vermehrt auf den Weg nach Rüsselsheim machen. Es gibt dort nicht nur spannende Kreationen, sondern auch die spannende Entwicklung eines jungen Kochs und seines Teams mitzuerleben.

 

Restaurant Navette
im Columbia Hotel Rüsselsheim
Stahlstraße 2-4
65428 Rüsselsheim
Tel: 06142 / 876-0

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag
19:00 Uhr bis 24:00 Uhr

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Categories: Fine Dining,Frankfurt
  1. Barry Said,

    Hi Alex…still not made it…and someone told me he was leaving…surely not yet!
    Nice report…even the wines sound OK

    Barry

  2. Blindtaster Said,

    How would someone want to leave Rüsselsheim, Barry? ;) Jokes aside, Thomas Macyszyn is fully commited to this restaurant and passionated about the challenge of fine dining.
    I was really impressed by the wine matches, the sommelier did a good job. We have do a wine tasting sometime soon..

  3. Louella Beale Said,

    To the blindtastingclub.net Administrator, identical listed here: Link Text

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