Alle Jahre wieder findet in Düsseldorf die ProWein-Messe statt. Und jedes Jahr gibt es rund um die Messe zahlreiche Satelliten-Events, die zusätzliche Themen abdecken. Eines dieser Events wird von dem Winzerzusammenschluss “Haut Les Vins” organisiert. Es handelt sich um Winzer aus ganz Europa, die sich zu einem gemeinsamen Manifesto bekennen. Um es kurz zu machen: All diese Menschen verfolgen eine naturnahe Philosphie des Weinmachens. Das Manifesto gilt hier eher als Richtlinie oder als grober Rahmen, denn die Weingüter erstellen Ihre Weine nicht strikt nach den gleichen Regeln. Wie dem auch sei. Es ist das zweite Mal, dass ich an diesem Event dabei bin und es gibt zweifellos tolle Weine zu entdecken. Hier eine Auswahl.
Zum ersten Mal habe ich einen Weisswein aus der Treixadura Traube probiert. Die Weine von Luis Rodriguez stammen aus Galizien, genauer genommen aus der Appelation Ribeiro. Es sind spanische Weissweine, die mir eher unspanisch vorkommen. Sie sind eher fein und mineralisch, als prall aromatisch. Wobei der hier abgebildete Vina de Martin Escolma wohl der üppigste Weisswein des Sortiments ist. Dieser wird in zum Teil neuen französischen Barriques spontan vergoren, stammt aber von sehr kargen Granitböden an steilen Hängen. Als 2010er zeigt er sich noch blutjung. Er ist kraftvoll und propagiert neben etwas reiferer Frucht auch angenehm salzige Noten. Der kleine Bruder dieses Weins ist der Viña de Martin Os Pasás. Ein frischer und leichter Weisswein, auch salzig-mineralisch und eher auf Zitrus-Früchten. Wohl das spanische Pendant eines feinen Muscadet.
Eine zweite spannende spanische Begegnung hatte ich mit den Weinen von Nicolas Marcos. Er hat es sich vor einigen Jahren zur Aufgabe gemacht im hohen Norden, in Asturien, dem Weinbau wieder zu Ansehen zu verhelfen. Hierfür hat er mühsam Parzellen mit uralten Reben vergessener Sorten zusammengekauft und keltert nun Weine, die gleichwohl saftig und aromatisch erscheinen.
Seine Einstiegsweine wie La Fanfarria sind unkomplizierte und dennoch eigenständige Durstweine. In seinem Premium-Segment ist beispielsweise der Dominio de Urogallo La Zorrina überaus spannend. Ein ungemein frischer und dichter Wein, der aus den Rebsorten Verdejo Tinto (70%) sowie einem Potpourri aus den Rebsorten Carrasquín, Albarín negro, Albarín blanco und Mencía besteht. Mencia hatte ich davor sogar schon einmal gehört :=P. Die Parzellen die den Wein ergeben sind zusammen gerade ein bisschen mehr als einen halben Hektar groß.
Auch spannend sind die Garnachas von der Bodega Bernabeleva, die sich unweit von Madrid befindet. Das Weingut wurde vor fast 100 Jahren gegründet, lag nach dem Bürgerkrieg brach und wurde vor einigen Jahren vom Urenkel des Gründers reaktiviert. Demnach sind auch die Reben, die auf kargen Böden stehen, uralt. Alle Weine sind fern jeglicher Marmeladenerscheinung. Der Garnacha de Vina Bonita besitzt Frucht, ist aber auch zugepackt mit Tanninen, die jedoch fein und geschliffen daherkommen. Nix für Weinanfänger, aber auf jeden Fall etwas für alle, die Spanien auch mal anders als im Parker-Style erleben möchten.
Ein absolutes Highlight ist dieser Matassa El Sarrat vom verrückt-freundlichen Südafrikaner Tom Lubbe. Es handelt sich um einen sehr zugänglichen Mourvèdre, der strahlende Frucht mit kernigen Tanninen und schöner Frische zusammenbringt. Ein unbedingter Kauftipp. Warum ist Tom Lubbe so cool? Auf die Frage, ob er denn auch Amphoren verwendet, antwortet dieser, dass er selbstverständlich auch Amphoren verwende. Diese seien sehr groß und aus Edelstahl. ;=)
Um relativ in der Nähe zu bleiben und doch noch einmal nach Spanien zurück zu kehren. Die Terroir al Limit Weine aus dem Priorat sind jedes Jahr eine Bank. Mein Favorit ist immer wieder der Arbossar, weil er auch am zugänglichsten wirkt. Eine Frucht-Tannin-Wolke, ist meine 3-Wort-Beschreibung für diesen Wein.
Immer noch zu den am meisten unterschätzten und somit für Weinliebhaber interessantesten Regionen gehört das Beaujolais. Hier gibt es so viele Schätze zu entdecken, die Portemonnaie und Gaumen zugleich gut tun. Vertreten war hier neben dem bekannten Weingut Terres Dorées auch die sympathische Domaine des Marrans. Der gerade gefüllte einfache Beaujolais – übrigens von 50-jährigen Reben stammend – ist ein wahrer Korb knackiger Früchte und sorgt automatisch für Trinkfluss (6 Euro ab Hof). Der Morgon (10 Euro ab Hof)ist etwas anspruchsvoller, mit festerer Struktur und mehr Tiefgründigkeit. Laut Website werden die Weine auch nach Deutschland exportiert, jedoch habe ich keine Bezugsquelle gefunden. Weiss jemand mehr?
Bleiben wir in Frankreich mit einem radikalen Champagner von Benoit Tarlant, der einem die Schuhe auszieht. Der Vignes d’Antan ist ein reinsortiger Chardonnay von 50-jährigen wurzelechten Reben. Der Wein ist nicht dosiert und stammt aus dem Jahrgang 2002. Die Frische (und Säure) dieses Champagners ist unnachahmlich, trifft schonungslos jeden einzelnen Geschmacksnerv. Doch auch viel Geschmack und eine große Feinheit sind vorhanden und machen diesen Schaumwein zum singulären Erlebnis.
Die Domaine des Accoles ist ein ziemlich neues Weingut in der Ardèche, gegründet vom jungen Paar Florence und Olivier Leriche. In 2011 haben sie mehrere Parzellen mit alten Reben erstanden und versuchen sich seitdem mit reinsortigen und Cuvée-Weinen, die nach dem biodynamischen Ansatz hergestellt werden. Ein wahrhaftiges Aushängeschild ist der Einstiegswein Le Rendez-Vous des Acolytes, ein reinsortiger Grenache von 10 bis 20-jährigen Reben stammend. Dieser ist absolut knackig und frisch und kostet keine 8 Euro. Es gibt übrigens noch keinen Händler in Deutschland!
Darf’s zum Abschluss noch ein Liter sein? Die beiden “Lidder”-Winzer Wechsler und Schätzel wurden natürlich von Foradori’s “un Litro” Rotwein in den Bann gezogen. Zu Recht, denn es ist ein wirklich anspruchsvoller Zechwein, der im Gegensatz zu den anderen Ampelaia Weinen auch nicht “gemacht” wirkt.