Da ich für ein paar Tage im Mission District von San Francisco verweilte, lag fast nichts näher als ein Besuch bei Mission Chinese Food. Dieses unscheinbare Lokal, das man als Laie anhand seines “getarnten” Äusseren beim Vorbeilaufen kaum identifizieren könnte (Es trägt nämlich den Namen des Vorgänger-Restaurants Lung Shan – ich bin selbst mehrmals daran vorbei gelaufen), hat sich in den letzten 3 Jahren zu einem Phänomen entwickelt. Gestartet als Pop-Up Restaurant Projekt von Danny Bowien und Anthony Myint, hat es sich – laut eines bekannten Kochmagazins – bis unter die Top 10 der wichtigsten Restaurants Amerikas gemausert. In diesem Jahr stand das Team gar auf der Bühne des Mad Symposiums in Kopenhagen, wo kein geringerer als Starkoch René Redzepi den Gastgeber gibt. Doch was macht Mission Chinese Food aus? Wie ich selber feststellen sollte, geht es vor allem um ein faszinierendes Konzept, bei dem in einem bescheidenen Rahmen die Grenzen asiatischer Küche neu ausgelotet, wo ohne Befangenheit neue Kombinationen erschaffen werden, die sich an den verschiedensten Küchen asiatischer Länder bedienen, dabei aber auch ganz deutlich amerikanische Elemente beinhalten.
Um den Ursprung dieses Konzepts zu verstehen, genügt es einen Blick auf die persönliche Geschichte von Danny Bowien zu werfen: Dieser wurde als koreanischer Junge von amerikanischen Eltern adoptiert, entschied sich später den Weg des Kochs einzuschlagen, nachdem er mit seiner Mutter regelmässig Kochsendungen anschaute (er begann seine Karriere im New Yorker Restaurant Sumile, vielleicht das erste Restaurant, das überhaupt auf diesem Blog besprochen wurde!). Um es auf den Punkt zu bringen: In das Abenteuer Mission Chinese Food lancierte er sich, obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt nie Chinesisch gekocht hatte.
Es liegt also nicht fern, dass viele, so auch ich, sich an David Chang’s Momofuku erinnert fühlen, wo kontinuierlich eine neue amerikanische Küche, mit vielen asiatischen aber auch Südamerikanischen Elementen, am Entstehen ist. Durch den bescheidenen Rahmen ist Mission Chinese dennoch grundlegend anders und das Ganze hat viel mehr den Duft einer revolutionären Bewegung, die sich für bessere Zutaten und mehr Kreativität in einfachen Restaurants einsetzt (Das Restaurant steht der Slow Food Bewegung nahe und von jedem Hauptgericht gehen gar 75 Cents als Spende an diese Organisation).
Doch nun zum Essen. Es handelt sich hier in keinster Weise um “Fine Dining”, sondern um eine besondere Interpretation des untersten Levels von “Casual Dining”. Auch an der Ausführung der Gerichte gibt es hier und da kleine Mängel, doch die Kreativität ist unabschreibbar und vor allem das Konzept an sich ist vollends faszinierend. So etwas könnte ich mir auch gut in unseren Gefilden vorstellen.
Unscheinbarer geht’s nicht. Die Räume erinnern an ein x-beliebiges Ladengeschäft der siebziger. Der Weg zur Toilette geht durch die Küche, in der 3-4 chinesische Mütterchen Gemüse putzen – ich fühle mich fast an die Jalan Alor, der bekannten Street Food Strasse in Kuala Lumpur erinnert. Die Küchencrew ist übrigens immer noch die Familie, die vorher das Restaurant Lung Shan betrieb. In einer ersten Phase waren Danny Bowien und Anthony Myint hier nur Untermieter – es kochten also 2 verschiedene Restaurants in der gleichen Küche.
Imbissbuden-Tisch und laminierte Karten mit Ziffern vor den Gerichten: Wie der Chinese um die Ecke, jedoch kreativ – that’s the idea!
Schon die Snacks ragen durch Ihre Originalität hervor. Ich weiss jetzt nicht, ob das der spezifischen Küche irgendeines Landes inspiriert ist, doch ich finde alleine diese Appetizer sehr inspirierend, selbst wenn beide als Hauptzutat Erdnüsse beinhalten. “Beijing vinegar peanuts” werden in Essig und mit Fenchelsamen, Zucker, Anis und geräuchertem Knoblauch mariniert. “beer brined Sichuan pickles” sind eine Art aufgepimpter Kimchi. Gerne hätte ich noch mehr Vorspeisen, wie “Tea-smoked Eel” oder “smashed Cucumbers” probiert, but one can only eat so much.
“Tiki Pork belly” sieht mit Ananas und Papierschirmchen aus wie eine Parodie der Achtziger, geschmacklich macht es jedoch süchtig. Das Messer geht durch butterzarten Schweinebauch mit dickem, schmelzenden Fettrand. Dazu passt die süßlich-fruchtige Sauce ganz hervorragend und auch die Macadamia-Raspel obenauf fügen dem Gericht noch eine Dimension hinzu. Das sieht aus wie der kitschigste Mickey-Mouse Teller, aber wenn’s schmeckt…
“Thrice cooked bacon and rice cake”. Dekadent gehts auf diesem Teller zu. Fett ist im Mission Chinese ein Hauptgeschmacksträger, das steht fest. Doch auch jede Menge Kohlenhydrate sind zu finden. Auf diesem Teller in Form von Duk -das sind koreanische Reisküchlein -, welche in Scheiben geschnitten mit Tofu-Haut, dem bacon und jede Menge Gewürze gebraten wurden. Das Gericht mundet, ist aber extrem füllend.
“General Tso’s veal Rib” wurde mir von einem Freund vor diesem Besuch als “Must-have-Gericht” beschrieben. Nun liegt ein mächtiger Brocken vor mir, der vom Anschein nach eine ganze Familie ernähren könnte. Die Kalbsrippe ist deliziös mariniert, erschliesst ein geschmacklisches Spektrum von feurig, süß und salzig. Unter der Kruste befindet sich leider auch eine Schicht zu trockenes Fleisch, und neben zartem Fleisch auch viel sehniges und einen riesen Knochen. Farblich war das eine von dem anderen kaum zu unterscheiden und leider war auch die Kruste teilweise verkohlt. Die Idee des Gerichts, das Konzept, finde ich sehr spannend, aber was ich vor mir hatte, leidete wohl etwas unter einer übertriebenen oder schlecht ausgeführten Zubereitung. (Auf der Karte steht übrigens “spit-roasted” und “dry-fried”, aber was zum Teufel ist “dry-fried”? Diese Fritteusen ohne Fett?)
Bilanz: Mission Chinese ist ohne Zweifel ein spannendes Projekt und ein furioses Konzept, das eine Menge interessanter Kombinationen hervorbringt. Zwar hinkt die Ausführung manchmal etwas hinterher, doch die Neugier gewinnt und ich würde auf jeden Fall nochmal hingehen. Am besten im Rahmen eines 1-wöchigen San Francisco Aufenthalts, um jeden Tag ein anderes Gericht der Karte zu probieren.
Mission Chinese Food San Francisco
2234 Mission St, San Francisco, CA 94110
Phone:(415) 863-2800
Schön – blue hour im Mission District beim Verlassen des Lokals
Und noch etwas Boke zum Abschied