…im Weingut Schätzel! Das alte Kelterhaus wurde wunderbar Weihnachtlich hergerichtet, im coolen rheinhessischen Loft-style. Auf den ersten Blick sieht das ja schon fast nach “Prenzelberg” aus. Aber Berlin kopiert glaub’ ich nur Nierstein. Das muss auch mal gesagt sein! ;=)
Jedenfalls hat Kai Schätzel nochmal seine eindrucksvollen 2010er Weine vorgestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sie auch wunderbar verkosten und halbwegs ernsthaft beurteilen. Bei den ganz einfachen Qualitäten hat mir der Reinweiß Silvaner (€ 5,5)am besten gefallen. Dezent blumige Nase und wie zum Kontrast einen Körper, der zwar auch auf leichten Füssen daherkommt, aber mit einer schön herben Würze in der Säure ausgestattet ist.
Wo wir gerade beim Silvaner sind. Der 2010 Hipping (€15), also Kai’s spitzen-Silvaner vom Roten Hang, zeigt sich in diesem Jahrgang natürlich ebenso in bestechender Form (letzter Jahrgang siehe hier). Nicht nur die Substanz eines ausgereiften Weins hat er, sondern auch die jahrgangstypische Säure die ihn so schön Frisch macht. Einer zum jetzt trinken, aber auch zum weglegen. Der wird in ein paar Monaten mit Sicherheit noch mehr hergeben! Meiner Meinung auf jeden Fall zu Recht unter den TOP 10 Silvaner Rheinhessens laut Gault Millau.
Aber nun sind wir auch schon beim Riesling, Kai’s Lieblingsdisziplin. Und 2010 ist für Ihn ein Jahrgang wie er ihn gerne hat. Schlank, mineralisch und langlebig. Weine die viel hergeben, insbesondere wenn man Ihnen die Zeit lässt. Zunächst gab es eine Kostprobe der beiden Ortswein-Qualitäten, die gleichzeitig die 2 unterschiedlichen Bodenarten von Nierstein darstellen.
Der 2010er Reinlöß (€8,50) scheint schon fast das Gegenbeispiel zum typischen Jahrgangsbild zu sein, so zugänglich und fast schon generös in der Frucht zeigt er sich, was natürlich am etwas wärmeren Boden liegen mag. Dennoch fehlt auch hier der leichte Säurekick des Jahrgangs nicht. Ein interessanter Wein zum jetzt trinken, zum Beispiel um seine Gäste an den Feiertagen zu empfangen.
Der Reinschiefer (€9,50) hingegen ist ein komplett anderer Wein, das war wohl noch nie so deutlich wie in diesem Jahrgang. Ein Wein der von einer intensiven aber eleganten Säure lebt, sich würzig, mineralisch und “nervig” zeigt, und noch ein erhebliches Reife-Potential hat. Den könnte man getrost 2 Jahre weglegen. Mit Sicherheit der beste Reinschiefer den ich bis jetzt von Kai probieren durfte, und wahrscheinlich das beste PLV im Sortiment! Zugreifen, so lange der Vorrat reicht (Leider waren die Mengen in 2010 deutlich reduziert)!
Der vertäfelte Proberaum wurde gerade komplett restauriert und sieht einfach phantastisch aus. Ich freu mich schon darauf, dort mal ein “blind Tasting” zu erleben. Zunächst gibt es aber eine völlig sichtbare Kostprobe vom 2010 Heiligenbaum Riesling (€15). In der Erscheinung ist er dem Reinschiefer Riesling nicht ganz unähnlich, aber natürlich mit deutlich mehr Substanz. Die Frucht spielt auch hier nicht die erste Geige, wenngleich der Riesling ein sortentypisches Aroma verströmt. Auch hier “dominiert” eine feingliedrige und würzige Säure, welche den Gaumen mit Mineralik und Frische versorgt. Diese Flasche, schon den halben Tag geöffnet, zeigt dann aber auch eine überraschende Zugänglichkeit und wirkt zuweilen fast geschmeidig. Ein interessantes Wechselspiel tut sich auf. Etwas Kellerzeit wird diesen Heiligenbaum nur besser machen, ich könnte ihn mir aber auch jetzt gut zu einem fruchtig-scharfen Curry vorstellen.
Der 2010 Pettenthal (€20) ist wohl Kai‘s bisher bester trockener Riesling. Würzig, kompakt, mit eindringlicher aber eleganter Säure, ein zupackender Riesling, der aber auch gleichzeitig ein Tick mehr Breitseite als die vorherigen Weine hat. Sprich: Eine deutlich reifere Frucht mit sich bringt. Natürlich kein barocker Wein wie aus der Pfalz, aber mit einer guten Dosis dieser herzenden rheinhessische Frucht versehen. Die Rasse und Würze dominieren aber fraglos und auch die leicht salzigen mineralischen Noten prägen das Bild. Auch herbe Kräuternoten mischen sich bei und verleihen dem Wein zusätzlich noch Tiefe. Ein Wein, der die Klasse dieser Lage mehr als deutlich macht und wohl erst in 2 Jahren seine wahre Größe zeigen wird. Aber wahrscheinlich ist das eine viel zu optimistische Prognose, der wird eher richtig langlebig. Lieber ein paar mehr Flaschen bunkern, solch ein Wein gehört ohnehin in jeden anspruchsvollen Weinkeller!
KabiNett ist fast schon eine viel zu nette Beschreibung für diesen fruchtsüßen Zäsurwein, der den Weg zum letzten Wein des Tages ebnen soll. 2010 war halt auch ein Segen für diese Prädikatsweine – nur noch die Restsüßen Weine werden von Kai mit einem solchen versehen – die nebst Frucht dann eben auch die nötige Portion Säure vorweisen können um frisch und langlebig zu sein. Hier setzt die Säure entscheidende Nadelstiche um die reife, pralle Frucht auszutarieren. Mit kabinettstypischen 11% Vol. ist dies ein relativ “leichter” Spaßwein und ein wahres Schnäppchen für € 9,50. Die Trauben für diesen Wein stammen übrigens aus der bekannten Lage Niersteiner Ölberg.
Als kleines Extra-Bonbon hat Kai dann noch eine Flasche “Fremdwein” von der Mosel “aus dem Ärmel gezogen”. Ja, ist denn heut’ schon Weihnachten? Die 1996er Ürziger Würzgarten Auslese (Drei Sterne) stammt vom Weingut Jos. Christoffel Jr., das unter Spitzenwinzer als Geheimtipp kursiert; angeblich haben sich schon einige dort mit gereiften Mosel-Auslesen eingedeckt. Der betagte Inhaber soll wohl jahrzentelang nur Spitzenweine hergestellt haben ohne Marketing zu betreiben und so auf einem immensen Schatz in seinem Keller sitzen. Für mich ist dies die erste Begegnung mit diesem Winzer und auch, denke ich, die erste Begegnung mit einem 1996er Wein aus Deutschland. Ein Jahrgang über den ich bisher nichts wusste, der es aber in sich zu haben scheint. In der Nase etwas Wachs, am Gaumen taufrisch und saftig und mit einer laserhaften Säure versehen. Eine reine Wonne! Vielen Dank für die Kostprobe, Kai!
Wenn das nicht eine schöne vorweihnachtliche Veranstaltung war. Überhaupt sind die events bei Schätzel’s immer eine sehr angenehme und runde Sache: Die Atmosphäre stimmt und die Weine stimmen sowieso. Ich kann auch nur nochmal empfehlen bei den 2010ern zuzugreifen, solange noch welche da sind. Die 2011er, die noch im Keller blubbern, stehen zwar natürlich auch schon bald in den Startlöchern, werden aber wieder einen anderen Stil haben, eher weicher und dem 2009er ähnlich. Natürlich ist es aber auch wie immer eine Frage des persönlichen Geschmacks, welchen Jahrgang man bevorzugt.