Die Insel Bornholm stellt die östlichste Gemarkung Dänemarks dar und liegt etwa 30 Minuten Flugzeit von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt. Mit fast 600 Quadratmeter Fläche, Getreidefeldern, Obsthainen, Fischräuchereien und jede Menge wilder Beeren und Kräuter, bietet Sie wohl genügend appetitliche Rohstoffe um ein Gastronomiekonzept darum zu stricken.
Das dachten sich wohl auch die 3 Bornholmer Jungs und alten Schulfreunde Magnus Kofoed, Rasmus Kofoed und Nicolai Norregaard, als Sie 2007 das Restaurant Kadeau ins Leben gerufen haben. Doch das Konzept stand nicht von Anfang an. Erst nach und nach haben Sie den ehemaligen Strandkiosk zu einem gehobenen Restaurant der nordischen Küche ausgebaut.
2011 dann beschlossen Sie ein Ableger des Restaurants in Kopenhagen zu eröffnen. Einerseits, weil eine Öffnung des Bornholmer Lokals nur in der Sommersaison wirtschaftlich Sinn macht, andererseits, weil Frauen und Kinder von 2 der Hauptakteuren in der Haupstadt wohnen. Auch der Kopenhagener Ableger hat sich blitzschnell zur Erfolgsstory entwickelt, was aber keineswegs nur am Windschatten des weltberühmten Noma legen mag. Denn die Jungs von Kadeau gehörten mitsamt zu den ersten, die sich voll und ganz dem Konzept der nordischen Küche verschrieben haben.
Mit einer Gruppe von Bloggern und Dank der Organisation von Laurent Vanparys von One Bite Consulting waren wir großzügigerweise auf eine Entdeckungsreise der Kadeau Küche eingeladen. Die erste Etappe führte uns an den schönen hölzernen Chef’s Table des Kopenhagener Restaurants. Die zweite (Post folgt) soll uns dann auf die Insel selbst bringen.
Die klare nordische Linie der Küche ist mit jedem Gericht erkennbar. Selbst wenn manche Zutaten nicht lokal sein sollten (zum Beispiel geben die Fischgründe der Insel nicht alles her, was das Gourmetherz höher schlagen lässt – Hummer muss aus anderen Regionen “importiert” werden) hat man immer eine Komposition auf dem Teller, die einem die (mir noch unbekannte) Insel vor dem geistigen Auge erscheinen lässt.
Die Küche erscheint sehr naturnah und ist auf eine subtile Art verspielt. Die Würzung geschieht oft durch das Zusammenspiel verschiedener Hauptzutaten (zum Beispiel wird grüner Spargel mit Krümel von knuspriger Hühnerhaut gewürzt), aber auch durch den häufigen Einsatz von Tupfer aromatisierter Mayonnaisen. Aber man wird auch mit brutal-rustikalen Gerichten konfrontiert, die einem ganz ehrlich demonstrieren, wie die Zutaten im Originalzustand eigentlich aussahen. Ein Beispiel hierfür ist der ganze Hühnerfuß mit Kralle, der uns auf einem Heubett serviert wird.
Der Empfang im Restaurant ist einfach nur erfrischend. Nicht nur aufgrund des Laval champagners, sondern weil die 3 Bornholmer Jungs einfach locker, herzlich und tiefenentspannt sind. Man hat sofort das Gefühl zu Gast bei Freunden zu sein.
Kartoffel, Seeigelcreme, Gelée von eingemachten Pfifferlingen – Mit einem knackigen, herzhaften und säuerlich-erdigen Bissen geht es los. Diese Art von “Cracker” passen natürlich hervorragend zu Champagner. Wo wir gerade bei der eingemachten Pfifferlingen sind. Ein Großteil der Kreationen enthält Zutaten von der Insel Bornholm, die getrocknet, eingemacht oder auf eine andere Art konserviert wurden. Für die Wintersaison werden so rund 2 Tonnen an Zutaten präpariert und nach Kopenhagen versandt. Ein Heidenaufwand, der aber für die Umsetzung des Konzeptes unumgänglich ist.
Grüner Spargel, Hühnerhaut, Frischkäse, Schnittlauch – schön frisch und eher subtil und leise. Ich hatte eigentlich viel mehr Geschmacksintensität beim Anblick des Tellers erwartet, doch zum champagner hat auch das optimal gepasst.
Salatherzen, Kamille, Essig – Einfach und originell. Die Herzen sind innen mit einer Kamille-Essenz beträufelt. Das Aroma passt sehr gut zu dem zart-süsslichen Geschmack junger Salatblätter.
Sandkraut, Austerncreme – Würden Sie das am Strand aufheben und essen? Das Sandkraut ist ganz leicht knusprig ausgebacken. Es transportiert selbst eine leichte süßliche Note, die aber noch durch die süßlich-säuerliche Austerncreme ergänzt wird.
Getrocknete Schwarzwurzel, fermentierter Knoblauch – Sie sehen fast aus wie Lakritzstangen, sind aber deutlich einfacher zu kauen. Es mischen sich süsslich-erdige Noten mit der so typischen aromatischen Tiefe des fermentierten Knoblauch (die ebenfalls eine leichte Süße enthält).
Grüne Suppe mit Liebstöckel – erfrischend-aromatischer Schluck zwischendrin.
Knuspriger Sauerteig mit Flechte – Diese etwas andere Art von Cracker haben eine leicht minzige Frische inne.
Steinpilz und Holunder – die erdigen Noten dominieren, werden aber gut ausbalanciert durch säuerliche und florale Akzente.
Knusprige Ente mit eingelegten Pilzen
Entenherz mit Heu, Kresse und Schnittlauchblüten
Brot aus Dinkel
Glattbutt, Austern, Seetang und Petersilie – obwohl ich noch nie dort war, habe ich nach all diesen Gängen schon den Eindruck die Insel Bornholm etwas näher zu kennen. Das satte grün der Wiesen. Der Fisch so frisch, dass er fast nur nach Meer schmeckt. Knackiges, aromatisches Grünzeug. Das passt. Den Eindruck habe ich vor allem bei diesem Gericht, obwohl der Fisch wohl eher aus der Nordsee stammt als aus den Fanggebieten rund um Bornholm.
Es gab auch eine schöne Kadenz der Weinbegleitungen, mit viel Abwechslung, obwohl ein sehr klarer Fokus auf Vins Naturels liegt. Zu den Fischgerichten hat sich zum Beispiel dieser De Moor Chablis ”Bel-air et Clardy” aus 2012 sehr passend gezeigt, trocken, mit viel Mineralität und Frische.
Tintenfisch, Zwiebeln, Shrimps, Tomaten Jus – eine wunderbare Komposition. Die Tintenfischstücke haben Biss, erscheinen knackig und intensiv, ohne gummiartig zu sein. Die Zwiebeln fügen eine zusätzliche, knackige Dimension hinzu, sowie eine gewisse erdige Aromatik, die sehr gut zu den Grillnoten des Tintenfisch passt. Holunder und Tomate bringen zusätzlich noch eine leichte Säure, sowie eine fruchtige und eine blumige Anmutung. Schwer zu erklären wieso genau, aber es hat einfach grandios geschmeckt.
Erbsen, Fava Bohnen, Dashi, Hefe – Wieder subtil, kreativ und auf natürliche und einfache Art grandios.
Spargel, Schafsmilch, Waldmeister – Die Spargel waren beide unterschiedlichen Alters. Das heisst: Der eine schon Monate eingemacht, der andere frisch gegrillt. Die sehr spitze Note der Creme aus Schafsmilch hat hier auch einfach sehr gut gepasst.
Kabeljau, Blumenkohl, grüne Erdbeeren, Heu – eine makellose Gaumenfreude. Toller Fisch, wunderbar knackig ergänzt!
Vin Naturel galore – es geht weiter mit einem Jura-Rotwein vom Großmeister Overnoy.
Rind, Liebstöckel Salz, Sellerie, frittierte Kräuter – jetzt wird es wieder etwas rustikaler. Es handelt sich hier um eine Art dickes Rinder-Carpaccio, dass durch ein frisches Liebstöckel-Dressing den erforderlichen Kick erhält. Da passt der fein-grobe Overnoy Wein mit seiner eher intensiven Säure auch wunderbar dazu.
Den weintechnischen Höhepunkt erreichen wir nun mit einem wunderschönen 2012 Chambolle-Musigny von Frédéric und Laure Cossard. Ein Weingut, dass nach dem Bio-Prinzip arbeitet und den Schwefelgebrauch auf ein Minimum belässt. Der Pinot ist zart und brillant, hinterlässt den Eindruck von Fülle ohne jemals schwer zu sein. Hat Struktur ohne rauh zu werden. Unbedingt empfehlenswert.
Hühnerfüße, Zwiebeln, Lauch, Dinkel – da liegen sie nun vor uns, die ollen Hühnerfüße. Und sie schmecken wie erwartet saftig nach Huhn, werden selbstverständlich am besten mit der Hand gegessen. Vielleicht wurde hier nicht sparsam genug mit dem Salz gearbeitet, der Show- und Spaßfaktor ist aber mehr denn je vorhanden.
Blaukäse, Erdbeeren, fermentierter Honig – Tolles erstes Dessert, dass mit der Salzigkeit des Blauschimmelkäses und der tiefgründigen wachsigen Aromatik des Honigs. Die Erdbeeren liefern eine fruchtige Säure. Sehr passend war daszu eine 2011 Riesling Auslese vom Rheingauer Weingut Breuer.
Topinambour, Sour Cream, braune Butter, Haselnuss – Auch das zweite Dessert ist sehr gelungen, wartet mit knackigem Topinambur auf, dass aber auch seine erdigen Noten mit einbringt und somit hervorragend mit der nussigen braunen Butter und den gerösteten Haselnüssen interagiert. Die säuerliche Sour Cream Eiscreme liefert das erforderliche Gegengewicht.
Das Essen wurde zwar noch durch ein paar Naschereien ergänzt (siehe Bilder weiter unten), endete jedoch offiziell mit diesem Topinambour-Dessert. An diesem Restaurant kann einem eigentlich nur alles gefallen. Die herzliche, fast kumpelhafte Atmosphäre legt den Grundstein für einen gelungenen Abend. Und es ist auch verblüffend, welche abwechslungsreichen, kreativen und schmackhaften Kreationen mit den “gesammelten” Zutaten der kleinen Insel möglich sind. Ein Essen im Kadeau ist eine schiere Entdeckungsreise, die einen auch ein bisschen in frühere Zeiten versetzt, in denen Einmachen und Trocknen noch zum Alltag gehörten. Doch die Umsetzung der Gerichte ist alles andere als altmodisch. Allein dieser Aspekt macht das Restaurant empfehlenswert.
Abgesehen vom Essen war es auch ein toller Abend mit Gleichgesinnten. Nicht nur alte bekannte wie Stéphanie oder Laurent habe ich wieder getroffen, sondern auch neue Foodie-Freunde wie Rasmus, Frank, Elise und Jose hinzu gewonnen. Vielen Dank an die Bornholmer Jungs für diesen schönen Abend.
kadeau København
Wildersgade 10
1408 København K
CVR 33950799
Tel: +45 33 25 22 23
Na sowas, ein Wechsler Wein hat sich auch mit eingeschlichen! Die Erkenntnis: Selbst geschwefelte Weine können schmecken! ;)