Wenn es draußen stürmt, regnet, der Himmel sich nur in Grau-Schattierungen zeigt, es schon kurz nach dem Mittagessen dunkel wird und noch dazu der Berg Arbeit auf dem Schreibtisch sich nie verkleinern will, wird es Zeit Maßnahmen zu ergreifen. Als ratsam erweist es sich, im Weinkeller öfter mal zu den tiefer vergrabenen Flaschen zu greifen, um als Seelenbalsam den Geist eines vergangenen Hochsommers wieder frei zu lassen.
Heute durfte es mal wieder der 2009er Hubacker von Keller sein (den ich zuletzt 2011 probiert hatte). Aus einem Jahrgang der oft als sehr reif und relativ säurearm beschrieben wird, hat Klaus-Peter Keller es geschafft einen überaus harmonischen, spannenden und komplexen Riesling auf die Flasche zu bringen, der locker seinen Platz im Olymp der ganz grossen Weissweine der Welt haben könnte. Hier meine Notizen:
Tag 1 aus der Flasche:
Ansprechende Farbe zwischem hellem, blassen Goldgelb und Strohgelb. Meine Nase nimmt eine verführerische Mischung aus Aprikose, Grapefruit, sogar Mandarine auf. Dazu vielleicht einen Hauch, einen Anflug von Petrolreife sowie eine dezente Rauchigkeit. Am Gaumen ist das vermeintlich Barocke des Jahrgangs nicht zu spüren, dafür wird man mit einer tollen Grapefruit-Intensität und einem angenehm zupackendem Säuregerüst konfrontiert. Teilweise erscheint der Wein etwas rau, leicht phenolisch, was für mich aber lediglich einen Hinweis auf die andauernde Jugend darstellt. Im Mittelteil des Gaumens habe ich kurz den Eindruck, dass der Wein leicht abfällt, doch der darauffolgende Abgang und Nachhall betont wieder intensiv die Grapefruit-Noten des Bouquets und offenbart mineralische Noten, die erneut ins leicht rauchige übergehen. Hinzu kommt ein Körnchen brauner Zucker, das den trockenen Eindruck des Weins leicht beeinträchtigt, jedoch nicht als störend zu bezeichnen ist.
An diesem ersten Probiertag ist es kein Wein, der sich als extrem vielschichtig erweist. Dafür beinhaltet er 3 bis 4 Aromen, die innerhalb eines von der Struktur gestecktem Rahmen zur Hochform auflaufen. Es drängt sich der Eindruck eines monolithischen, fast burgundischen Weins förmlich auf.
Tag 3 aus der offenen Flasche:
Nach 2 Tagen verändert sich das Bild etwas. Der Wein wird subtiler mit weissen Blüten, einer leichten Honignote und Dosen-Aprikosen in der Nase, vielleicht auch einen Hauch Grüner Tee – das ist sehr verführerisch. Der Anflug von Petrolreife, den ich am ersten Tag wahrgenommen habe, ist nun unauffindbar. Am Gaumen wirkt der Wein geschmeidiger, weniger ruppig, man nimmt aber dennoch eine Struktur wahr, die ein weitaus längeres Reifen erlauben würde. Auch am Gaumen wird das Bild durch dezente Teenoten, vielleicht etwas süßreife Zitrone und Lindenblüten ergänzt.
Insgesamt ein großer Wein, der es schafft in ganzer Einfachheit sehr viel Subtilität preiszugeben. Ich verstehe manche, die die Weine von Klaus-Peter Keller mit großen weissen Burgundern aus Puligny-Montrachet vergleichen. Analog zu diesen Weinen kann man auch diesen Hubacker bedenkenlos noch ein paar Jahre liegen lassen. Wenn man in jetzt öffnet, ist es empfehlenswert, ihn so wie hier über mehrere Tage zu verkosten, oder ihn zumindest zu dekantieren. Und wenn ich jetzt Punkte vergeben müsste, es wären satte 94.