Etwas abseits von Frankfurt, aber im per Auto doch recht zügig erreichbaren Königstein befindet sich das Restaurant Villa Rothschild. Dort hat im März dieses Jahres der 32-jährige Christian Eckhardt das Zepter übernommen, nachdem sein Vorgänger Christoph Rainer über viele Jahre die Reputation des Gourmet-Lokals aufgebaut und das Haus zu den aktuellen 2 Sternen im Guide Michelin geführt hat.
Das Ambiente im Restaurant ist gediegen, fast so luxuriös wie die Restaurants der Palaces in Paris. Zweifellos ist dies ein Ort für die besonderen Anlässe. Doch obwohl die Tische großzügig verteilt statt gedrungen und Musik im Hintergrund zu vernehmen ist, kann man fast immer die Gespräche der Nachbarn hören. So will zunächst keine Lockerheit aufkommen. Erst als das Restaurant sich etwas mehr gefüllt (insgesamt waren schlussendlich 4 Tische besetzt) und wir 1-2 Gläser der exzellenten Weinreise von Restaurantleiter und Sommelier Benjamin Birk genießen durften, ließen wir uns in unseren Unterhaltungen gehen. Überhaupt tut der junge, dynamische, freundliche und auch flachsende Service alles dafür, die Zugeknöpftheit des Ortes verschwinden zu lassen.
Die alsbald servierten Amuses sagen viel aus über den Küchenstil des Hauses und machen eines besonders deutlich: Hier wird mit viel Präzision und ausgeprägter Liebe zum Detail gearbeitet. Die Appetithäppchen erscheinen wie Miniaturmodelle, die mit Skalpell und Pinzette ausgearbeitet wurden. Noch viel wichtiger aber ist, dass diese auch schmecken. Mit jeder neuen Karte stellt sich übrigens ein anderes Mitglied des Küchen Teams mit von seiner Herkunftsregion inspirierten Amuse-Bouches vor. Momentan ist der norddeutsche Chef Gardemanger an der Reihe.
“Backfisch” – Saure Gurke – Kapern – Schnittlauch.
Im Uhrzeigersinn und beginnend unten rechts: “Eingelegtes Rübchen” Apfel – Meerrettich -Pumpernickel; “Nordseekrabbe” Gurke – Schmand – Dill; “Sauerfleisch” Escabeche – Gemüse – Senfcreme
Birne – Bohne – Speck. Cremig-erdige Bohnencreme, strahlend-fruchtige Birne und rauchiger Speck: Eine super Combo!
“Labskaus” Rote Bete – Eierkaviar – Matjes – Kartoffelcreme. Als weiterer Gruß aus der Küche, aber quasi schon als erster Gang kam dann diese wunderschöne norddeutsch inspirierte Kreation. Eine tolle Idee und eine sehr clevere Zusammenstellung und Präsentation. Geschmacklich fehlt für mich jedoch der letzte Kick, vielleicht eine säuerliche oder eine intensiv salzige Komponente. Es sollte jedoch der einzige etwas blasse Gang des Abends bleiben.
Entenstopfleber – Marbre & Praline – Clotted Creme – Rooibusch Tee – Salzbutterbrioche. Denn schon der nächste Gang ist vollends überzeugend. Zwar ist eine Foie Gras ein sehr klassisches Gericht, das insofern wohl auch perfekt zum Ambiente des Restaurants passt, doch ist diese in ihrer Ausführung sowohl bemerkenswert kreativ als auch schmackhaft. Sehr lecker auch die separat servierte Scheibe Brioche.
Norwegische Jakobsmuschel gebraten – gerösteter Pulpo – Minestrone – Lardo. Die (halbe) Jakobsmuschel ist von hoher Qualität und in ihrer Garung ebenfalls perfekt, so dass sie innen noch einen Hauch glasig ist. Gebettet ist diese in einen hocharomatischen an Bouillabaisse erinnernden Sud. Man kann sich darüber streiten, ob dieser vielleicht einen Tick zu salzig daherkommt (meinte mein Brurder), doch für meinenGeschmack ist hier keine Grenze überschritten, insbesondere wenn man das tolle Zusammenspiel aller Zutaten in die Waagschale wirft. Es gibt viele Struktur- und Textur-Elemente in diesem kleinen Wundergericht, welches im Endeffekt einen Mikrokosmos harmonierender Zutaten darstellt. Der aussen knusprige und innen zarte Pulpo sollte als erstes erwähnt sein. Dann stößt man auf eine knackige Gemüse-Brunoise, die quasi als Metapher für eine “Minestrone” hinhält und wunderbar funktioniert. Abgerundet wird der Sud durch 2 Blätter “Sea Fennel”, die eine spannende Frische einbringen. Dass dieses Gericht unverkennbar mediterran anmutet, liegt nicht zuletzt an einem ebenfalls im Sud auffindbaren Tupfer Knoblauch-Creme. Als Krönung passt der eingeschenkte Wein, ein knackig frischer, ultratrockener, mineralischer Albarino von Do Ferrer zum Gericht wie die Faust aufs Auge. Für mich ist klar: Das ist ein lupenreiner 3 Sterne Gang!
Bretonische Seezunge knusprig – grüne Mandeln -Passepierre Algen – getrocknete Tomaten. Ein absoluter Knaller, und um es vorweg zu nehmen, ebenfalls ein lupenreines 3 Sterne Gericht ist diese Seezunge. Das Stück Fisch ist perfekt gegart –saftig und dennoch mit Biss. Ohnenhin scheint Christian Eckhardt ein besonders gutes Händchen für Garpunkte zu haben. Eine geniale Idee auch die Kruste aus leicht angeröstetem Weissbrot, die fast poetisch dem Fisch seinen Schuppen-Panzer zurückzugeben scheint, aber vor allem fantastisch schmeckt. Ein weiteres Strukturelement befindet sich unter dem Fisch: Knackige Algen, die in einer traumhaften Beurre Blanc und Mandel Sauce baden. Ausreichend Säure kommt von den Tomatenfilets und ein weiteres Element, ein paar Blätter Micro-Basilikum, verleihen dem Ganzen Frische und Komplexität. Stark ist dazu erneut das Wine Pairing mit einem 2007 Rebholz Kastanienbusch Riesling aus der Doppelmagnum.
US Beef Filet & Short Rib – wilder Brokkoli, eingelegte Radieschen – confierte Kartoffel. An die gute Produktqualität und die tollen Garpunkte sind wir nun schon gewöhnt und auch diese Trilogie vom Rind macht hier keine Ausnahme. Vielleicht aber vorab ein grundsätzlicher Gedanke zu Rindfleisch-Gerichten in den Menüs gehobener Restaurants: Oft ist es so, dass der Geschmack des Fleisches die zentrale Rolle einnimmt, und es für ein kreatives Zusammenspiel mit Beilagen kaum Spielraum gibt. Und das ist auch hier so, was aber nicht schlimm ist, da ich es quasi so erwarte. Ich freue mich auf ein tolles Stück Fleisch, sehr zart und mit gutem Eigengeschmack, auch perfekt harmonierend mit einem spanischen Rotwein aus der Mencia Traube. Aber ein bisschen Originalität in den Beilagen finde ich dann doch. Neben dem Fleisch befindet sich eine sogenannte “Brokkoli-Vinaigrette”, die aus einem mit Xanthan eingedickten Sud aus Brokkoli-Stämmen entstanden ist und eine gemüsig-grüne Frische mit auf den Teller bringt. Man erhält den Eindruck, als ob das Vieh wieder mit seinen Gras-Weiden vereint wird.
Aprikose, Limetten-Espuma, Sorbet vom Weinbergspfirsich sowie Olive und Thymian stellen einen wundervollen Gaumenputzer dar.
Waldaromen herbstlich – Steinpilze – Tannenharz – Zwetschge – Birke. Ausgezeichnet auch mein Dessert. Leider habe ich mir hierzu aber keine Notizen gemacht (was per se schon eine positive Aussage über das Dessert darstellt)
Misomacaron, kleiner Boskopapfel, Erdnuß süß-salzig – wieder diese Verbindung zwischen Detailverliebtheit und grossartigem Geschmack. Ich glaube ich habe noch nie einen derart leckeren kandierten Apfel gegessen und sowohl der Macaron als auch die Erdnuß sind kleine Leckerbissen.
Eukalyptus am Stiel – Ein frischer Abschluß mit flüssigem Kern.
(Anmerkung: Ein Bild vom ebenfalls servierten Bubble Tea habe ich leider vergessen zu knipsen)
Vom Anfang bis zum Ende des Menüs überzeugt die Küche von Christian Eckhardt und seinem Team durch hohe Produktqualität und minutiöser, detailreicher Zubereitung sowie – noch wichtiger – auch durch funktionierende Kombinationen und tollen Geschmack. Vor allem die beiden Gänge Jakobsmuschel und Seezunge haben mich beeindruckt und begeistert. Kurzum: Ich bin überzeugt, dass dieses Restaurant weiterhin seine 2 Michelin-Sterne behalten wird und der noch junge Chef so die volle Anerkennung für seine Leistung erhält.
Im Rothschildpark 1
61462 Königstein bei Frankfurt
Tel: +49 6174 (0) 2908 0
Öffnungszeiten:
Di-Sa: 18:30-21:30 Uhr