Restaurant Relae* in Kopenhagen – Kreativität bei aller Einfachheit

Kreativität bei aller Einfachheit, viel Natürlichkeit und eine Prise “Molekularität” wo es Sinn macht, sind die Schlagworte, die mir spontan zur Küche von Christian Puglisi des Restaurant Relae in Kopenhagen einfallen. Der ehemalige Sous-Chef des weltberühmten Restaurant Noma sorgt nun schon seit einigen Jahren mit seinem Restaurant für Furore. Es liegt im sich “gentrifizierenden” Kopenhagener Stadtteil Nørrebro, in das sich, als er das Restaurant vor einigen Jahren eröffnet hat, nur sehr wenige hineingetraut haben. Kriminalität war hier an der Tagesordnung. Heute ist die Jægersborggade (der Strassenname) eine der angenehmsten der Stadt und der Stadtteil erfreut sich großer Beliebtheit. Gegenüber des Relae befindet sich übrigens Puglisis Weinbar Manfreds, die ebenfalls einen Besuch wert ist.

Doch zurück zum Restaurant. Es strahlt mit viel hellem Holz und einer offenen Küche die schiere nordische Gastlichkeit aus. Jegliche Konventionen oder Verhaltensregeln, die für manche Luxusrestaurants gelten, sind hier völlig fehl am Platz. Ein Beispiel: Das Besteck, sowie Servietten befinden sich in einer Schublade in dem Tisch. Hier muss man sich selbst helfen.

Nun aber zum Essen: Wir haben uns Mittags quasi für alles entschieden, was die Küche so her gibt. Inklusive Weine sind wir pro Person bei rund 1600 DKK, also circa 200 Euro gelandet. Neben den 7 geplanten Gängen, haben wir noch 2-3 als Extra-Einlage erhalten. Auf geht’s!

Relae Kopenhagen Tisch

Die Schubladen im Tisch haben auch den Vorteil, dass der Service nur für die wesentlichen Dinge (Essen und Wein) hin- und her-rennen muss.

Relae Amuse Bouche

Als Amuse erreicht uns ein erfrischendes Gebilde aus Gurke. Knackig und saftig aber nicht aufregend und auch in der Dosierung etwas zu üppig. Quasi ein Maul voll Gurke.

Relae Kopenhagen Brot

Extrem leckeres Sauerteigbrot und Olivenöl kommen auf den Tisch.

Relae

Grüne Erdbeeren mit Kapuzinerkresse – Der erste Gang ist gleich ein Knaller. Die unreifen Erdbeeren sind lauwarm, wurden wohl leicht gedämpft, was zunächst eine unerwartete Konsistenz mit sich bringt: Aussen mollig weich, innen knackig und saftig.Temperatur, Konsistenz und Reifegrad der Frucht spielen eine zentrale Rolle in dieser Komposition. Die Erdbeeren haben durch ihre unreife natürlich eine gewisse Säure, welche dann aber das zwar frische, aber auch rauh-herbe Coulis aus der Kresse perfekt ergänzt. Und dennoch kommt die Frucht der Erdbeere zu einem gewissen Grad durch und geht nicht unter. In diesem Gericht passiert alles auf eine ungewohnte Art und Weise mit Tönen von Chlorophyll und dennoch passt es. Einfach verblüffend!

Sofort wird einem die Küche von Puglisi klar. Er verwendet möglichst wenige Zutaten, schöpft aber das gesamte Reifespektrum letzerer aus, um überraschende, aber vor allem auch funktionierende Kombination zu schaffen. Übrigens steht die Produktqualität bei Puglisi an allererster Stelle. Ausserdem ist der Fokus auf bio dermassen ausgeprägt, dass sich Relae durch den Bureaukratiedschungel gewagt hat und heute das einzige bio-zertifizierte Sterne Restaurant weltweit ist.

Relae venison peas and mint

Wild, Erbsen und Minze – Erneut ein Paukenschlag. Erneut auf einer verblüffenden Einfachheit basierend. Erbsen und Minze sind ja eigentlich eine Klassiker-Kombination. Doch die Verbindung dieser altbekannten  Zutaten mit einem intensiven Tartar vom Reh funktioniert weltmeisterlich. Die jungen Erbsen sind fast roh und knackig, bringen dem ganzen etwas Biss. Die Frische der Minze tariert das intensive Wildfleisch (Welches nicht übermässig nach Wild schmeckte – es hätte auch itnensiveres Rindfleisch sein können) perfekt aus. Einfach genial!

Relae

Die Natürlichkeit bezieht sich im Relae auch auf den Wein. Wie in fast jedem hippen Restaurant der Stadt, enthält die Karte ausschließlich Vin Naturel und Orange Wine. Die Fotos der Weine lasse ich in diesem Posting unkommentiert. Sie waren alle gut, jedoch habe ich mir keine Notizen gemacht.

Relae

Sepia, getrocknete Shrimps, Knoblauch- Die nächste Genialität! Feine, dünne Streifen vom Tintenfisch, die wohl nur kurz blanchiert wurden und wie leicht fischigeTagliatelle wirken, dazu knusprig-intensive Krümel von getrockneten Shrimp mit Knoblauch, die dazu wie einer Art Bottarga (getrockneter Fischrogen) agieren. Einfach saulecker!

Relae

Sonnenblumenkerne, Kornly und Pinie – Wie kommt man auf solche Ideen? Von der Konsistenz ähnelt das Gericht einem Risotto. Die Sonnenblumenkerne spielen die Rolle des Reis und zeigen eine leicht mehlig-breiige Konsistenz, haben aber dennoch Biss. Der Geschmack geht im Gegensatz zum Risotto eher ins getreidige. Die Creme besteht zum Teil aus dem intensiven dänischen Kornly Käse, der in Getreide reift und sich daher geschmacklich perfekt einfügt. Und es braucht auch diese Intensität des Käses, da der Eigengeschmack von Sonnenblumenkernen nicht ausreicht, um ein Genussfeurwerk abzubrennen. Wie im Risotto dienen letztere im Grunde quasi nur als Textur-Element. Die zarten jungen Nadeln von der Pinie ergänzen das Gericht durch eine grüne Frische. Ist das der nordische Basilikum-Ersatz? Aufgrund der leichten Mehligkeit,  ist es eigentlich kein Gericht, das man jeden Tag essen würde, aber es war geschmacklich wunderbar intensiv, harmonisch und schön schlotzig.

Relae

Another vin naturel…

Relae

Gemüse-Bouquet, gegrillte Ziegencrème – Sagte ich eben schlotzig? Nun dieses Gericht stellt dann wohl noch die Steigerung in Sachen Schlotzigkeit dar. Auf dem Teller befinden sich verschiedene Arten von Salatblättern, sowie Kräuter und Holunderblüten, die in einer schmackhaften, leicht rauchigen Käsesauce liegen. Die Aromatik der Kräuter, das Knackige vom Salat, und die Wärme und Reichhaltigkeit der Sauce gehen ein unglaublich schönes Zusammenspiel ein. Hier gibt es nix zu meckern: Einfach wieder saulecker!

Relae

Schwein aus Hindsholm, eingemachter Rhabarber – Die meisten am Tisch empfanden dieses Gericht als zu rustikal. Ich hatte meinen Spaß daran. Das Schwein war saftig und schmackhaft. Klar, eine Crème aus Schweineblut stellt nicht unbedingt die Speerspitze des Raffinements dar, aber eine angenehme Herzhaftigkeit ist beim Vermengen aller Elemente nicht abzustreiten. Im Vergleich zu den anderen Gerichten stimmt es aber schon, dass dieses hier am wenigsten ausgereift ist.

Relae

Käsegang – Havgar Käse auf frisch gebackenem Pizzabrot  – So eine Pizza könnte ich jeden Tag essen.

Relae

Rosé Wein zum Dessert.

Relae

Vanilleeis, getrocknete Himbeere, karamellisierte Senfkörner – Die Senfkörner spielen hier eine untergeordnete Rolle, sind kaum schmeckbar. Der Klassiker Vanilleeis mit Himbeere ist hier in einer explosiven Intensität gelungen. Cremiges, reichhaltiges Vanilleeis und ein säurebetontes, extrem aromatisches Pulver von getrockneten Himbeeren spielen Gaumen Ping Pong.

Relae

Oräntsch Wein von Pierre Frick aus dem Elsass.

Relae

Zum Schluss gab es noch diese kleine Genialität mit einer Komposition aus Mandeleis, Apfel-Granité, sowie  einem Zucker-Cracker mit Splitter von gerösteter Mandel und Hopfen. Ein Dessert mit Frische, Salzigkeit und auch etwas Rauchigkeit vom Hopfen. Wieder eine tolle Kombination.

Fazit: Dieses geniale Restaurant sollte sich keiner entgehen lassen, der sich für ein Gourmet hält und sich aus welchem Grund auch immer in Kopenhagen aufhält. Es ist einfach beeindruckend welch überzeugende kreativen Kombinationen mit möglichst wenigen Zutaten dem Team um Puglisi gelingen. Auch die Produktqualität ist bemerkenswert. Es handelt sich um ein Sternelokal, das gleichzeitig auch die Gelassenheit und Freundlichkeit eines Nachbarschaftstreffs hat. Ein kulinarisches Konzept mit Vorbildfunktion. Mehr davon bitte, überall auf der Welt!

 

Restaurant Relae
Jægersborggade 41
2200 København
Dänemark
Telefon: +4536966609

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Categories: Fine Dining
  1. Daniel Fleischer Said,

    Da kommt einer wieder rum!

    Wieder mal eine sehr schön zu lesende Kritik eines doch etwas anderen Gourmet Tempels.
    Die einzelnen Gänge sind wirklich interessant, wie Du schon richtig schreibst sticht das Fleisch auch optisch mehr als nur heraus. Überhaupt ist das gute, alte Schwein doch auch so eher die Ausnahme, in dieser Kombination aber schon wieder mehr als originell.

    Liebe Grüße und bis Bald mal wieder !

    Daniel

  2. Blindtaster Said,

    Hi Daniel. Ja, das ist wahrlich originell. Kenne einige Leute, die gar nichts von solch einer Küche halten. Aber man sollte es auf jeden Fall versuchen. Ist wirklich durchdacht und spitze! LG Alex

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