“I am NOT drinking any fucking Merlot!“. Nicht erst seit diesem von Miles im Film Sideways ausgeschrienen Satz hat besagte Rebsorte unter “Kennern” einen schlechten Ruf: Zuviele überdrehte und simplistische Marmeladenbomben überschwemmen seit Jahren den Weltmarkt. Eigentlich nichts erstaunliches für eine fruchtbetonte Rebsorte deren Mission es ja ist Spaßweine hervorzubringen. Doch Merlots können auch Trinkspaß auf sehr hohem Niveau bieten. Dann wird die Frucht in Seide gehüllt und mit Tiefe versehen. Elegante Spaßweine sind sie dann. Oder gar Wohlfühlweine. Ich denke dieser 0815-Beschreibung würden selbst jene Glückspilze nicht widersprechen, die schonmal in den Genuß eines Pétrus gekommen sind, dem wohl berühmtesten aller Merlot-Wein. Heute aber geht es um einen Wein, der eher die preisliche Antithese zu Pétrus darstellt.
Nun gut. Meine kleine Intro muss ich jetzt ja fast schon wieder relativieren. Denn zugegebenermassen besteht der Nectar des Bertrands nicht aus 100% Merlot, wie der eben genannte Pétrus, sondern aus 95% Merlot und einem Restanteil Cabernet. Ausserdem stammt er nicht aus der noblen Appelation Pomerol, sondern von den Côtes de Blaye, einem weit entfernten Vorort vom bekannten Merlot-Epizentrum, wenn man so will. Aber in den letzten Jahren hat sich auch hier qualitativ so einiges getan.
Auf diesen Wein gestossen bin ich aber nicht durch intensive Recherche-Reisen in den Bordeaux-Satelliten-Regionen, sondern über den Wineterminator, der wiederholt von diesem Wein und seinem grandiosen PLV geschwärmt hat (hier und hier). Und da der Preis tatsächlich sehr akzeptabel erschien, konnte ich auch nicht widerstehen ein paar Flaschen vom Jahrgang 2009 “en primeur” zu ordern (12,90 Eur zu dem Zeitpunkt).
Das Château les Bertrands ist zwar ein altes Familienweingut, aber wiederum schon weit entfernt von der sprichwörtlichen Idylle: Mittlerweile werden an der Première Côtes de Blaye beachtliche 100 Hektar Reben bewirtschaftet und zur Optimierung der Lese wird sogar eine eigene Wetterstation betrieben. Die Nectar-Trauben stammen von einer 3-Hektar-Parzelle in der Nähe von Reignac, wo die Reben auf Kies- und Sandböden stehen. Die Erträge sind selbstverständlich reduziert, die Trauben werden von Hand sortiert, dann entrappt und in Edelstahltanks vergärt. Zu guter letzt durfte der Wein 17 Monate in neuen französischen Barrique-Fässern reifen bevor er im Frühjahr abgefüllt und ausgeliefert wurde. Ich konnte nicht widerstehen und musste jetzt schon eine Flasche öffnen.
Tiefdunkel die Farbe. Tiefdunkel nach Kirschen die Nase. Aber deutlich wird auch gleich, dass der Wein momentan noch ein pubertäres Gewandt an hat, mit einigen Bitterstoffen hier und da am Gaumen. Dennoch zeigt er ein schönes Spaß- und Seelenstreichlerpotential und wie viele 2009er ist er schon erstaunlich zugänglich mit sehr feinkörnigen Tanninen und einer geschmeidigen Textur.
Erst nach einer Weile zeigt er verstärkt seine Jugend: Die Adstringenz nimmt zu. Gleichzeitig werden aber auch die Aromen vielschichtiger; zur Kirschfrucht, die von Anfang an zu schmecken war, gesellen sich Gewürznoten aber auch florale Töne, an getrocknete Blüten erinnernd. Es ist jetzt ein Merlot Wein mit Statur in dem das Kernige und die Frucht aufeinander treffen. Wenn irgendwann die Flaschenreife ausreichend ist, werden alle diese Komponenten in Harmonie den Gaumen entzücken. Intensität und Länge sind jetzt schon überzeugend, aber ich bin gespannt was dann noch an Tiefe und Komplexität dazukommen wird.
Der Wein wird in 1-2 Jahren bestimmt richtig viel Spaß machen, vielleicht braucht er aber noch länger: Meine Erfahrung mit Merlot-basierten Weinen ist da nicht groß genug. Im Grunde aber ist er jetzt schon so zugänglich, dass man ihn gut zum Essen trinken kann. Und ab und zu braucht man doch auch ein paar kratzige Gerbstoffe. Das gros der Flaschen werde ich aber unbedingt länger aufheben, und bestimmt das eine oder andere Mal an dieser Stelle berichten.
Mit Sicherheit ist dies kein Pétrus… behaupte ich jetzt einfach mal, obwohl ich noch nie in den Genuß eines solchen gekommen bin. Aber es ist auf jeden Fall ein Merlot-basierter Wein der besseren Kategorie. Ein Gaumen-Wellness-Elixier an dem vielleicht sogar Miles seinen Spaß hätte. Und natürlich muss ich mich für die Empfehlung beim Wineterminator bedanken, denn Preis und Leistung standen wohl selten in einem besseren Verhältnis.