Die ProWein bietet in ihrem Rahmenprogramm unzählige Events, die einen die verschiedensten Themengebiete näher bringen. Beispielsweise hat man dort auch die Möglichkeit in die dunkelsten Ebenen des Weins abzutauchen. Dort, wo Gestalten mit farbstoffgeschwärzten Lippen und Daumen Ihre Kreise ziehen, wo Flocken violettschwarzer Tannine wie der Ascheregen nach einem Vulkanausbrauch den Gaumen in sekundenschnelle mit einer zentimeterdicken Decke überziehen.
Die Rede ist von der Probe junger Bordeaux-Weine, und so dunkel das jetzt auch klang, so groß war meine Freude die Grand Crus des Jahres 2010 im Rahmen der ProWein zu verkosten. Die UGCB hatte geladen, und alle waren sie da, um die Weine dieses sehr guten Jahrgangs zu probieren! Ein paar knappe Notizen habe ich mitbgebracht:
Pauillac:
Château d’Armailhac: Viel Graphit in der Nase, am Gaumen voll und dennoch saftig. Gute Struktur. Für 50 Euro auch nicht mehr so günstig, doch relativ gesehen wohl ein Kauftipp. +
Château Lynch-Bages: Toller Pauillac der alles hat. Viel Struktur, viel beerige Frucht, ausreichend Säure. Ein sehr gut balancierter Long-Runner. +
Château Lynch-Moussas: Etwas leichter im Tannin und daher angenehm zu probieren im Vergleich zu all den Kraftprotz-Weinen. Auch sehr feinkörniges Tannin. Schöne Frucht, schöne Frische und elegante Balance. Wird schon früher Spaß machen als andere 2010er, ist dafür aber auch kein Weinmonument für die Ewigkeit (sondern nur für 2 Dekaden).
Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande: Toller Wein, der etwas mehr die rotbeerige Komponente unterstreicht, auch weil er einen Hauch mehr Merlot als andere Pauillacs enthält. Auch mit langlebiger Struktur ausgestattet. +
St. Estèphe:
Château Cos Labory: Intensiv schwarzbeeriger Wein, der eine eher opulente Stilistik zelebriert, dennoch aber nicht ohne Frische daherkommt. Eine Art Verführer, der eine gute Struktur mit viel Frucht bedeckt.
St. Julien:
Château Branaire Ducru: Viel Tannin, ein deutlicher Long-Runner, der auch mit einer schönen Würze punkten kann. Dennoch bin ich nicht komplett überzeugt. Nochmal probieren.
Château Gloria: Schöne, rauchige Nase, voller Körper mit viel Beerenfrucht, im Abgang jedoch eine leichte Bitterkeit.
Château Gruaud-Larose: Deutlicher Cabernet in der Nase mit der berühmten Cassis-Paprika Mischung. Am Gaumen schöne Beeren und eine gute Struktur. +
Château Langoa Barton: Eine rotbeerige Erscheinung, auch mit einem Hauch rosa Pfeffer versehen.
Château Léoville Barton: Toller Wein, eine konzentrierte St. Julien-Wolke mit toller Balance und genial integriertem Tannin. Nicht zu vergessen, mit einer schönen Frucht. +
Château Talbot: Ein Hauch von Pferdestall, aber auch viel Würze, einem floralen Touch und einer schönen Frucht. Hat was! +
Margaux:
Die Margaux Weine haben mich insgesamt weniger beeindruckt als die anderen Appelationen. Hier habe ich etwas die Sexyness vermisst und den Eindruck gehabt, dass die Tannine sich zu vordergründig zeigen. Natürlich sind das aber alles Momentaufnahmen und in ein paar Jahren kann das wieder anders aussehen. Einen Favoriten habe ich dennoch gefunden:
Château Giscours: Eine feine Erscheinung mit viel Würze, aber auch mit einem gewissen Alkohol-Touch. Eine gute Struktur wird ihn bestimmt sehr langlebig machen. +
Pomerol:
Insgesamt eine Region, die ähnlich wie Saint-Émilion in diesem Jahrgang sehr schöne Weine vorweisen kann. Ein Dreigestirn hat es mir besonders angetan:
Château Clinet: Feines, perfekt integriertes Tannin, wirkt sehr rein und pur. Wunderschön. +
Château La Conseillante: Noch sehr jung mit deutlicher Faßausprägung. Etwas Vanille, präsentes Tannin (ultrafein), schöne Frucht. Ein Wein von großem Potential, vielleicht etwas modern in der Stilistik. Unbedingt weglegen. +
Château La Croix de Gay: Rauchig-holzige Nase, etwas Graphit, dunkle Frucht in einer Struktur mit viel Tannin. Auch ein Long-Runner und mit Sicherheit ein Preis-Leistungs-Tipp! +
St. Émilion:
Château Figeac: Enthällt bekannterweise 20-30% Cabernet-Franc, was ihn im Vergleich zu seinen Nachbarn immer etwas “blaufruchtiger” und kühler erscheinen lässt. Auch heute. Ansonsten ein sehr kompakter, konzentrierter, direkter Wein, der genügend Struktur für ein langes Leben mitbringt. + (Übrigens: Der Weinberater Michel Rolland wird ab dem kommenden Jahrgang auf dem Weingut mitwirken, man darf gespannt sein, wie sich die Weine entwickeln. Die Info hierzu kann man auf Panos’ Blog Connections to Wine nachlesen.)
Pessac-Léognan:
Château Haut-Bailly: Viel Frucht, viel Tannin, florale Elemente und Würze sind auch dabei. Ein kompakter, voraussichtlich sehr langlebiger Wein. +
Château Larrivet Haut-Brion: Viel Tannin sowie florale Noten.
Château Smith-Haut-Lafite Blanc: Ein Wein, der von vielen anwesenden Verkostern gelobt wurde. Schöne rauchige Nase. Sehr konzentriert am Gaumen, fast ölig in der Erscheinung. Dennoch mit einem Tick Säure und viel Mineralik. Schön, mir aber fast ein bisschen zu kräftig.
Château Pape-Clément Blanc: Eine light Version vom Smith Haut Lafite, dafür aber mit deutlich mehr Frische ausgestattet. Trinkt sich für meinen Geschmack besser. Ist aber kein Schnäpchen! +
Eine spannende Probe war das. Für mich hat diese bestätigt, was man an vielen Stellen lesen konnte: 2010 ist ein sehr guter Jahrgang, der in den gelungenen Weinen eine gute Balance zwischen Frucht und Tannin hervorgebracht hat. Und auf jeden Fall auch ein langlebiger Jahrgang, der auch noch den Enkelkindern Freude machen wird. Die etwas schwächere Region war in meinen Augen Margaux, aber vielleicht auch nur, weil andere Regionen wie Pauillac und St. Julien sich saustark präsentierten. Time will tell.